Das Desaster des Airports Kassel-Calden, die HNA und die Selbstbeschränkung des Journalismus

„Die Prognosen lagen weit daneben“ übertitelt die HNA in ihrer Ausgabe den Beitrag über das extrem magere Ergebnis nach zehn Jahren Flughafen Kassel-Calden. Es reicht schon, nur eine Zahl daraus zu wiederholen: Statt jährlich 6-800 000 Fluggäste nutzten in einem Spitzenjahr lediglich 131 000 Passagiere den mit annähernd 300 Millionen Euro errichteten Flughafen-Neubau.

HNA-Artikel zu 10 Jahre Airport Kassel-Calden, 21.03.2023
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Wer hätte das gedacht, daß es einmal soweit kommen könnte mit diesem Prestigeprojekt? Nun ja, jeder mit gesundem Menschenverstand konnte sich denken, daß diese Region nie einen derartigen Flughafen wirtschaftlich tragfähig erhalten konnte. Zu viele negative Beispiele anderer, vergleichbarer Regionalflughäfen gaben berechtigten Anlaß zur Skepsis. Eine der wenigen prominenten Stimmen, die sich warnend dagegen erhoben, war die von Klaus Becker, damaliger Chefredakteur des „Extra Tip“. Kassel, so der 2010 verstorbene „Journalist der kleinen Leute“ (Horst Seidenfaden), habe bereits einen Regionalflughafen, nämlich den in nur weniger als 100 Kilometern erreichbaren von Paderborn-Lippstadt. Und spätestens als die bei der Eröffnung mit enormen Vorschußlorbeeren ins Amt gehobene Flughafenchefin Maria Anna Muller nach nur 18 Monaten unter entwürdigenden Umständen gefeuert wurde, hätte man endlich aufwachen müssen, um zu erkennen, daß hier etwas nicht stimmt.

Stimmungsmache à la HNA, Ausschnitt aus der Ausgabe vom 20.02.2006

Nun, zehn Jahre und inzwischen viele in den Betrieb von Kassel-Calden versenkte Steuer-Millionen später, wäre es endlich einmal an der Zeit, dieses Kapitel einer kritischen Aufarbeitung zu unterziehen, wie es überhaupt dazu kommen konnte. Und genau hier spielte die HNA eine unselige Rolle! Dieses Wahnsinnsprojekt hätte niemals durchgesetzt werden können, hätte diese Zeitung nicht jene Kampagne gefahren, die die Zukunft des Flughafens in den rosigsten Farben schilderte. Ich habe zwar in meinem Umfeld nicht den Eindruck gehabt, daß da viele darauf hereingefallen wären, aber es reichte aus, es als das entscheidende Narrativ in der Öffentlichkeit durchzusetzen. Die Diffamierung der Flughafen-Gegner war darin inklusive, ganz selbstverständlich.

Die HNA, so wurde dem Berichterstatter einmal mitgeteilt, sieht sich als Unterstützer von neuen Projekten zur Förderung der Region und gibt sich diesen positiv aufgeschlossen. Doch diese Form des Lokalpatriotismus, die übrigens in allen Blättern des Ippen-Konzerns gepflegt wird, ist bisweilen von der journalistischen Fachpresse eher negativ aufgenommen worden.

Denn genau darin wird eines der drängendsten Kernprobleme des heutigen Journalismus deutlich: Kritischer Journalismus ist auch immer ein sich selbst beschränkender Journalismus. Es kann nicht Aufgabe von Journalisten sein, „im Namen des Fortschritts“ irgendwelche scheinbar erfolgversprechenden Projekte zu fördern und damit die Öffentlichkeit irrezuführen. Die Aufhebung der Trennung von Nachricht und Meinung zu manipulativen Zwecken wird hier deutlich. Man will künftig sogar explizit bei dem Prinzip bleiben, a priori alle neuen Projekte in der Region schönzuschreiben. Im Fall von Kassel-Calden hat das offenkundige Kirchturm-Denken in ein finanzielles Desaster ohne absehbares Ende geführt.

Doch das Desaster von Kassel-Calden steht nicht allein für dieses Problem. Es betrifft ebenso die unkritische Berichterstattung zu den staatlichen Maßnahmen der Corona-Bekämpfung, wo man sich nur allzu bereitwillig zum Büttel der Regierungspolitik gemacht hat. Und nicht weniger eklatant fielen die Mainstreammedien aus der Rolle, als im Zuge der Migrationskrise 2015/16 unablässig Stimmung gemacht wurde für eine „Willkommenskultur“ und man damit der Spaltung des Landes erheblichen Vorschub leistete. Die Kritiker hingegen diffamierte man als „Schwurbler“ und „Fremdenfeinde“.

Aber eine kritische Presse ist auch immer eine selbstkritische. Diese Fähigkeit war in der Redaktion der HNA allerdings noch nie besonders ausgeprägt. Dabei wäre sie gerade jetzt dringend vonnöten. Und dann sollte sie sich dabei nicht alleine auf den Flughafen Kassel-Calden beschränken, sondern auch hinsichtlich ihrer Berichterstattung zu Corona, dabei insbesondere gegenüber den Impf-Skeptikern, sich einer selbstkritischeren Überprüfung unterziehen. Es fällt auf, daß nun, wo auch Mainstreammedien anfangen hierbei ihre eigene Rolle kritisch zu beleuchten, im Gegensatz dazu in der HNA dröhnendes Schweigen vorherrscht.

Immerhin, mangels Flugbewegungen ist Kassel-Calden vermutlich der umweltfreundlichste Flughafen in Deutschland. Ein gewaltiger Pluspunkt für seine Klimabilanz. Denn wo nichts fliegt, können auch keine Emissionen anfallen. Und wenn wir schon bei diesem Thema sind: Wie man einerseits all die Jahre trotz medial gehypter Flugscham und der Anbiederung an die Klimasekten in der HNA noch an Kassel-Calden festhalten konnte, ist ein Widerspruch, der vermutlich niemanden in der Redaktion aufgefallen ist.

YT-Clip von SPIEGEL Online vom 9.11.2013

Kimmich, das „Team Lauterbach“ und die HNA

„Was ist der Unterschied zwischen einer Verschwörungstheorie und der Wahrheit? Ungefähr zwölf Monate.“ (Jakob Hayner, WELT Online vom 18.3.2023)

Drei Jahre können gefühlt eine sehr lange Zeit sein, vor allem wenn sie dicht bepackt mit spektakulären Ereignissen ist. In diesen Tagen jährt sich nun zum dritten Mal die erste Verhängung eines Covid-Lockdowns durch die Bundesregierung. Damals noch unter der Kanzlerschaft von Angela Merkel, eine Maßnahme, deren Verhängung noch wenige Tage zuvor offiziell geleugnet wurde, dann auf wenige Wochen terminiert, um dann auf mehrere Monate verlängert zu werden. Was während dieser Zeit zur Bekämpfung der Covid-Pandemie erfolgte, war ein gesellschaftlicher Stresstest ohnegleichen, noch zusätzlich getoppt von dem von Politik und Medien forcierten Druck auf die Bevölkerung, sich allesamt einer noch unzureichend getesteten Impfung gegen das Corona-Virus zu unterziehen. Zwar ist diese Zeit vorüber, doch die daraus resultierenden gesellschaftlichen Gräben und Verwerfungen sind kaum zugeschüttet. Denn nun beginnt die Aufarbeitung und es kommt heraus – oh, Wunder! -, daß die Maßnahmen, bekanntlich in Teilen rechtswidrig, vielfach weit über das Ziel hinausschossen, gefährliche Kollateralschäden verursachten und auch die Impfung keineswegs, wie der inzwischen von den Medien zum Bundesgesundheitsminister hochgeschriebene Karl Lauterbach behauptete, vollkommen nebenwirkungsfrei war.

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Vor nur wenigen Wochen in der Talksendung von Markus Lanz, gab nun Dauergast Lauterbach zu aller Überraschung indirekt den „Querdenkern“ und sogenannten „Schwurblern“ recht. Die Schulschließungen waren überzogen, die Regeln zum Außenaufenthalt – auch mit Maskenzwang! – sogar „Schwachsinn“. Dem Rückzug in Raten folgte seine Relativierung von der angeblich „nebenwirkungsfreien Impfung“ bei Anne Will:

„Auf der anderen Seite müssen wir auch vermitteln, was ja auch so ist: Die Impfungen sind halt mehr oder weniger nebenwirkungsfrei. Das muss immer wieder gesagt werden.“

Was das im schlimmsten Fall konkret bedeutet, hat unter anderem WELT Online berichtet, wie im Fall der 20jährigen Alina Adams, die seit der dritten Impfung auf den Rollstuhl angewiesen ist und um die Anerkennung ihrer Ansprüche kämpft:

https://www.welt.de/wirtschaft/plus243843025/Corona-Impfschaeden-Danach-war-fuer-mich-klar-dass-ich-klagen-will.html


JUNGE FREIHEIT 12-23, 17.03.23:

Lauterbach: Impfschäden schneller anerkennen

Berlin. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat das Auftreten von schweren Nebenwirkungen nach der Impfung gegen Covid-19 eingeräumt und sich dafür ausgesprochen, daß Impfschäden schneller anerkannt werden. „Diese Schicksale sind absolut bestürzend. Die Menschen tun mir ehrlich gesagt sehr leid“, beteuerte der Sozialdemokrat im ZDF. Ein etwaiges Versagen des Gesundheitsministeriums an dieser Stelle wollte der Politiker unterdessen nicht sehen. „Damit kein falscher Eindruck hängenbleibt: Schwere Impfschäden sind auf der Grundlage der Daten des Paul-Ehrlich-Institutes oder der Europäischen Zulassungsbehörde in der Größenordnung von weniger als eins zu 10.000 Impfungen. Es ist also nicht so, daß Impfschäden so häufig seien.“ Auf die Frage, weshalb der Gesundheitsminister noch im Sommer 2021 behauptet habe, daß die Impfung „nebenwirkungsfrei“ sei, antwortete Lauterbach ausweichend. „Das war eine Übertreibung, die ich einmal in einem mißglückten Tweet gemacht habe.“ Aber das sei nicht seine grundsätzliche Haltung gewesen. Nun forderte der Sozialdemokrat eine Beteiligung der Pharmakonzerne an eventuellen Schadensersatzzahlungen. „Die Gewinne der Pharmafirmen sind exorbitant gewesen. Das wäre also mehr als nur eine gute Geste“, betonte er. Zuvor hatte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion gefordert, Bund, Länder und Impfstoffhersteller sollten die Opfer von Corona-Impfschäden über eine Stiftung entschädigen. Bisherige Verfahren seien viel zu bürokratisch, so der gesundheitspolitische Sprecher, Tino Sorge (CDU). Bereits im Sommer vergangenen Jahres hatte die AfD-Bundestagsfraktion von der Bundesregierung verlangt, für eine umfassende Datenlage bezüglich gesundheitlicher Folgen und Nebenwirkungen der Corona-Impfung zu sorgen. Außerdem müsse die Ständige Impfkommission „schnellstmöglich ihre Impfempfehlungen anhand aktueller Daten zur Wirksamkeit und zur Häufigkeit und Schwere von Nebenwirkungen der Covid-19-Impfstoffe überprüfen und aktualisieren“. (fw/vo)


Einer, der den Druck sich impfen zu lassen, besonders zu spüren bekam, war der Fußball-Nationalspieler Joshua Kimmich. Im Oktober 2021 bekannte Kimmich sich zu seiner Skepsis über ein zu wenig getestetes Impfverfahren, das noch mit zu vielen Risiken behaftet sei. Wie groß der Druck gewesen sein muß, kann man sich mittlerweile gut vorstellen. So gab Kimmich am Ende klein bei und ließ sich die Spritze geben. WELT Online erinnerte dieser Tage auch an diesen Fall und setzte ihn in Zusammenhang mit Lauterbachs Versprechen einer „nebenwirkungsfreien Impfung“:

https://www.welt.de/kultur/plus244325985/Corona-Impfung-Ohne-Nebenwirkungen-Wie-das-Team-Lauterbach-Joshua-Kimmich-jagte.html

Penibel wurden in dem Beitrag die teils drastischen und übergriffigen Äußerungen Prominenter aufgeführt, aus denen die von Jan Böhmermann besonders abstoßend herausragt:

Der Fall Kimmich stand in der Berichterstattung stellvertretend für ein vermeintlich viel größeres Problem: für die Ungeimpften, die „Impfmuffel“, die „Impfverweigerer“. Um gegen die vorzugehen, war kein Mittel zu schlecht. Jan Böhmermann tönte auf Twitter: „Gespaltene Gesellschaft scheißegal, solange alle geimpft sind.“

WELT Online zieht daraus eine bittere Bilanz:

Menschen wurden zur Impfung oder alternativ aus dem öffentlichen Leben gedrängt, darunter Kinder und Jugendliche, wo Nutzen und Risiko der Impfung in einem völlig anderen Verhältnis zueinander stehen als bei Alten und Risikopatienten. Andere Menschen haben, weil sie die Impfung nicht wollten, ihren Beruf verloren oder konnten ihn nicht oder nur eingeschränkt ausüben. Neben körperlichen Schäden müssen auch die seelischen berücksichtigt werden, außerdem die gesellschaftlichen und politischen: die mutwillige Sabotage öffentlicher Meinungsbildung und das sträfliche Außerachtlassen von Grundsätzen der Selbstbestimmung.

Der Einzelne, sein Körper und seine Entscheidung galten nichts: Klappe halten, impfen lassen. Nun hält das Team Lauterbach plötzlich selbst die Klappe, aus Lautsprechern wurden Leisetreter. Das Schweigen ist dröhnend. Die Blamage ist augenfällig, peinlicherweise mit herbeigeführt durch den obersten Verantwortlichen selbst, den Gesundheitsminister, der sich mit seinen jüngsten Wendungen noch zu retten versucht. Und da die Langzeitfolgen nun plötzlich doch existieren: Hat sich vom „Team Lauterbach“ eigentlich schon jemand bei Joshua Kimmich gemeldet?

Auch die HNA war in dieser Zeit an vorderster Front mit dabei, wenn es gegen „Querdenker, Impfmuffel und Schwurbler“ ging. In der „Standpunkte“-Kolumne „Keine Sonderrolle für den Fußball“ vom 26.10.2021 gab Redakteur Ullrich Riedler folgende Sätze zu Kimmich zum Besten:

[…] Insofern bleibt die Impfung auch im Sport erste Bürgerpflicht. Man gefährdet mit dem Virus nicht nur sich selbst, sondern durch Ansteckungen auch andere. Wem die vielen positiven Studien zur Verträglichkeit der Impfstoffe also nicht ausreichen, der proklamiert mit dem Warten auf Langzeit-Studien für sich einen Luxus, den wir uns gar nicht leisten können. Denn nur wenn wir relativ rasch möglichst viele Menschen gegen Covid-19 impfen, haben wir eine Chance, das Virus entscheidend einzudämmen. Hier beginnt das eigentliche Problem für den FC Bayern und den DFB. Denn Kimmich hat Vorbildfunktion. Er ist herausragender Nationalspieler und Sympathieträger. Vereine und Verbände müssen somit schnell reinen Tisch machen und bei betroffenen Spielern die nötige Überzeugungsarbeit leisten.

HNA-Standpunkt vom 26.10.2021

Auf welche „positiven Studien“ sich Riedler hierbei beruft, bleibt ein Rätsel. Schon damals war absehbar, daß die Impfung keineswegs die Ausbreitung des Corona-Virus eindämmen würde. Somit war die Impfung alles andere als ein „Game Changer“. Vermutlich plappert Riedler hier nur nach, was die Regierungspropaganda vorgab. Es sind Worte, die im Nachgang der Ereignisse zum Fremdschämen anregen.

So sehr sich die HNA damals in die Phalanx der unkritischen Befürworter aller regierungsamtlichen Maßnahmen einreihte, so dröhnend ist ihr heutiges Schweigen über diese Zeit. Eine Abfrage im HNA-Archiv ergibt keinen Hinweis auf eine Berichterstattung über die bemerkenswerten Auftritte von Lauterbach bei Markus Lanz und Anne Will. Ebensowenig werden die immer offenkundigeren Impfschäden thematisiert. Und auch auf eine öffentliche Entschuldigung von Riedler gegenüber Kimmich dürfen die Leser noch lange warten. Selbstkritik ist eine Fähigkeit, zu der sich noch nie ein HNA-Redakteur fähig zeigte.

Als „Vierte Gewalt“ wäre es jetzt die Aufgabe der HNA, Selbstkritik zu üben und den Rücktritt von Lauterbach zu fordern. Doch das ist wohl für ein regierungstreues Verkündigungsorgan zu viel verlangt.

Nun steht der zweite Jahrestag der gewaltigen Demonstration in Kassel vom 20. März 2021 an, als mehr als 20.000 Menschen friedlich gegen die Regierungsmaßnahmen demonstrierten; ein Ereignis, daß offenbar auf nicht wenige regierungstreue Redakteure der HNA eine traumatisierende Wirkung hatte. Die Gelegenheit, in diesem Sinne in Nibelungentreue zur Regierung rein apologetisch an das damalige Ereignis zu erinnern, wird die HNA wohl kaum verstreichen lassen.

Und dann werden wir vorgeführt bekommen, daß bei diesen Hofschranzen das Trauma über diese Demo heute noch wirksamer ist als die Scham, freiwillig und gerne über jedes Stöckchen gesprungen zu sein, daß die Regierung ihnen hingehalten hat.

Lügen, verdammte Lügen und die Statistiken der HNA

Das neue Jahr war erst wenige Tage alt, da äußerte sich HNA-Redakteur Jan Schlüter in der Kolumne „Standpunkt“ zu der Silvesterschlacht um Berlin. Darin die üblichen wohlfeilen Floskeln, die nach solchen Ereignissen folgen und doch keine Konsequenzen nach sich ziehen, wie:

„Es darf in Deutschland nirgendwo No-Go-Areas geben. Es darf auch nicht für kurze Zeit akzeptiert werden, dass der Staat das Gewaltmonopol verliert.“

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HNA-Standpunkt vom 05.01.2023

Nun, diese starke Rhetorik ist immer noch Lichtjahre entfernt von jenem bedenklichen pathologischen Zustand der Hyperventilation, den die HNA-Redaktion erfasste, als im März 2021 mehr als 20.000 Menschen friedlich in der Kasseler Innenstadt gegen die Corona-Politik demonstrierten. Auch zeigt Schlüter gegenüber den Berliner Tätern der Silvesternacht in gewisser Weise mehr Nachsicht als mit den damaligen Demonstranten, denn zum Schluß macht er eines unmißverständlich klar:

„Falsch wäre es, die bisherige Migrationspolitik in Frage zu stellen.“

Man darf annehmen, daß er damit in seiner Funktion als stellvertretender Chefredakteur auch die Blattlinie der HNA zum Ausdruck gebracht hat.

Keine vier Wochen und zwei mit einem Messer ermordete Passagiere im Todeszug nach Brokstedt später, versucht uns die HNA über den mutmaßlichen Täter, einem vor wenigen Jahren illegal nach Deutschland eingereisten, staatenlosen Palästinenser, aufzuklären. Der entsprechende Artikel „Heimatlos, isoliert, gewalttätig“ wurde von dpa übernommen. Darin zu Wort kommt der „Experte“ Rafael Behr. In der vollständigen Fassung des Artikels, wie er zeitgleich im „Tagesspiegel“ veröffentlicht wurde, wird Behr in einem Absatz, der in der Druckausgabe der HNA fehlt, folgendermaßen zitiert:

Womöglich sei nach der sogenannten Flüchtlingswelle von 2015 aber auch die Chance verpasst worden, ausreichende Ressourcen für Integrationsmaßnahmen zu mobilisieren, anstatt das Geld für mehr Polizei auszugeben. Gleichzeitig müsse allen klar sein: „Integration funktioniert nie hundertprozentig“, sagt Behr. „Ein paar Randständige wird es immer geben.“

Ausschnitt aus HNA-Artikel „Heimatlos, isoliert, gewalttätig“

Welche Intention die HNA damit verfolgte, diesen Passus herauszunehmen, bleibt offen. Jedoch hat der Publizist Henryk M. Broder in seinem Onlinemedium „Die Achse des Guten“ Behr für diese schrägen Sätze in die ironische Rubrik „Bedeutende Denkerinnen und Denker des 21. Jahrhunderts“ aufgenommen.

Geradezu beruhigen soll es wohl den Leser, wenn der Artikel zur Delinquenz von migrantischen Straftätern folgendes mitteilt:

Auch das bundesweite Lagebild zur Kriminalität im Kontext von Zuwanderung hilft hier nicht viel weiter. Es hält lediglich fest, dass der Anteil von Zuwanderern an den Tatverdächtigen bei Straftaten gegen das Leben 2021 bei 12,8 Prozent lag.

Im Fünf-Jahres-Vergleich zeigt sich in diesem Deliktsbereich laut Bundeskriminalamt (BKA) kein Anstieg.

Lassen wir einmal die Fragwürdigkeit dieser Statistik beiseite. Es gäbe einiges dazu zu sagen. Problematisch an dieser Aussage ist, daß sie sehr allgemein gehalten ist und nicht in den Kontext des dpa-Artikels passt. Dessen Thema ist der mutmaßliche Messermörder von Brokstedt und die Gruppe migrantischer Einzeltäter im Gewaltbereich, die im Bahnverkehr zuschlägt. Hier ergibt sich jedoch ein anderes, sehr viel beunruhigenderes Bild. So berichtet „Welt Online“ unter der Überschrift „Zahl der Messerangriffe in Zügen und Bahnhöfen hat sich verdoppelt“:

Die Bundespolizei hat im Jahr 2022 insgesamt 398.848 Straftaten in Zügen und auf Bahnhöfen registriert. Das ist eine Steigerung von zwölf Prozent, wie die „Bild am Sonntag“ aus einer Statistik der Bundespolizei zitiert. 14.155 wurden als Körperverletzungen eingeordnet.

Ausschließlich in Zügen kam es demnach zu 82 Messerangriffen, 2021 waren es noch 44. An Bahnhöfen und Haltestellen waren es sogar 254, im Vorjahr noch 122. Daneben gab es 33 Angriffe mit Reizstoffen, was ein Plus von sechs Vorfällen ausmacht.

Die Übergriffe mit „sonstigen gefährlichen Werkzeugen“ wie Baseballschlägern lagen bei 97 Fällen, sieben mehr als im Jahr davor. Angriffe mit Waffengewalt – etwa mit Pistolen – sind dagegen nur leicht angestiegen, von drei auf fünf. Die Anzahl der Sexualstraftaten erhöhte sich wiederum deutlich von 697 auf 857.
Insgesamt wurden fünf Personen im Jahr 2022 getötet – im Jahr 2021 nur zwei. Daneben gab es 6747 Verletzte, im Jahr zuvor waren es nur 4138.

Auffällig dabei ist der Einsatz von Messern. Der Polizeilichen Eingangsstatistik (PES) zufolge wurde 2022 insgesamt gegen 71 Tatverdächtige wegen Gewaltstraftaten mit Messereinsatz in Zügen ermittelt – 36 davon waren „Nicht-Deutsche“. 2021 waren es sechs von 25.

Unter Delikten wie schwerer Körperverletzung, Raub, Mord und Totschlag lag der Anteil von „Nicht-Deutschen“ bei den Tatverdächtigen bei 55,5 Prozent.
Da freut man sich schon auf die nächste Zugfahrt, die nicht nur allein wegen der inzwischen chronischen Unzuverlässigkeit der Deutschen Bahn das Potential zu einem Abenteuer-Trip hat.

Über den Wert von Statistiken kursiert dieser Kalauer: „Lügen, verdammte Lügen und Statistiken“. Allerdings, es ist nicht so, daß die HNA hier direkt zur Lüge gegriffen hätte. Zur Ehrenrettung ihrer Redakteure könnte man annehmen, daß genau diese Statistik aus dem dpa-Artikel auch der der positiven Regulierung ihres eigenen Wohlbefindens dient und nicht allein der volkspädagogischen Dressur der Leser. In diesem Fall dient die Statistik für die HNA-Redaktion eher weniger der Erleuchtung, als vielmehr um sich daran festzuklammern wie ein Betrunkener an der Laterne.

Es kann aber auch genauso gut sein, daß die HNA, wie schon so oft, ihre Leser einfach nur für dumm verkaufen wollte.

Die seltsamen Geschäfte des Herrn Ippen

Die Mainstreammedien haben es nicht leicht. Sie kämpfen nicht nur mit drastisch sinkenden Absatzzahlen. Vor allem der eigene Bedeutungsverlust nagt stark am eigenen Selbstbewußtsein. Die einstige Torwächterfunktion, sie ist im Aufstieg des Internets flöten gegangen. Und sie kommt nie wieder zurück.

Ende November vergangenen Jahres veröffentlichte die HNA unter dem Titel „Freie Radikale“ ein Elaborat aus der Feder von Martin Benningshoff, in welchem die neuen Feindbilder des Mainstreamjournalismus markiert wurden, die für diesen Bedeutungsverlust verantwortlich sein sollen. Benningshoff, kaum verwunderlich, arbeitet hauptberuflich bei der bräsig-linken „Frankfurter Rundschau“, die wie die HNA zum Medienkonsortium von Dirk Ippen gehört. Zeitweise war er auch Mitarbeiter der SPD-Bundestagsabgeordneten Lale Akgün.

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HNA-Ausschnitt, Ausgabe vom 22.11.2022

Benningshoffs Text ist reichlich konventionell gestrickt. Die Guten sind die klassischen, eine „große Bandbreite“ repräsentierenden Medien, zu denen er erstaunlicherweise auch die bislang stets mit dem Umstritten-Label belegte „Junge Freiheit“ zählt (JF-Herausgeber Dieter Stein würde das wohl mit Erstaunen zur Kenntnis nehmen). Daß aber diese quantitative Bandbreite qualitativ mit einer inhaltlichen und thematischen Engführung verknüpft ist, nämlich aus der engen Blase eines rot-grünen, linksliberalen Weltbildes, das die überwiegende Mehrheit der Mainstream-Journalisten vertritt, das hat Benningshoff offenbar übersehen oder nicht verstanden.

Ihnen gegenüber steht ein teuflischer Bösewicht, der doch selbst einst Teil dieser Medienwelt war, nämlich der unter dem Vorwurf unangemessener Beziehungen zu Mitarbeiterinnen aus seiner Funktion als Chefredakteur der BILD-Zeitung geschasste Julian Reichelt. Reichelt macht derzeit mit seinem Youtube-Kanal „Achtung, Reichelt!“ erfolgreich Furore, der immerhin über 200.000 Abonnenten hat, eine Zahl, von der die HNA heute nur noch träumen kann. Benningshoff arbeitet sich weiter an Reichelts Boulevard-Methoden ab und wirft dazu die üblichen Schlagworte ins Feld wie „populistische Untiefen“, „Verschwörungsgläubige“, „dunkle Gräben seines libertären und populistischen Weltbildes“, „Weltuntergangsstimmung“, „suggeriert einen immerwährenden Notstandsmodus“.

Ihm folgt Roland Tichy als ein kleiner Teufel, weil seriöser auftretend, der aber nach seiner Zeit als Chefredakteur der „Wirtschaftswoche“ mit „Tichys Einblick“sie ahnen vielleicht schon, was jetzt kommt – „nach rechts ausgebrochen“ ist, eine „Plattform inklusive Printmagazin, die sich um das angebliche Versagen der Regierung [sic!], Massenmigration, unfähige Politiker und Journalisten dreht.“

Mit anderen Worten: Benningshoffs Vorwurf gipfelt darin, daß Tichy den Auftrag der Presse als „Vierte Gewalt“ ernst nimmt, nämlich die kritische Beobachtung der Regierung!

Die Lieblingsfeinde der Alternativen Medien laut Benningshoff: die Grünen. Damit offenbart er unfreiwillig das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zu den Mainstreammedien, in denen – und das ist demoskopisch ziemlich gut abgesichert – die größten Unterstützer der Grünen sitzen.

Und schließlich fährt Benningshoff ein ganz schweres Geschütz auf:

„Publizisten wie Reichelt [vergiften] nicht nur das politische Klima, sie legen die Axt an Grundsätze friedlicher Konflikte.“ – Einfach schauderhaft…

Benningshoff bestätigt alle Vorurteile über den Mainstreamjournalismus als Werturteile, sein Text ist eine einzige Selbstoffenbarung der Selbstgerechtigkeit und der blinden Ignoranz seines Standes, der nicht begreift, wie er durch seine Einseitigkeit selbst zum Teil des Krisenproblems unserer Gesellschaft und der miesen Debattenkultur geworden ist. Zuletzt eindrucksvoll belegt in der unkritischen Gefolgschaft zur Regierung in den heute immer kritischer beäugten Corona-Maßnahmen sowie der undifferenzierten Diffamierung ihrer Kritiker. Und derzeit fortgesetzt in der Hofierung sogenannter Klima-Aktivisten.

Doch es kommt noch besser! Es gibt eine höchst seltsame und überraschende Verbindung zwischen dem Ippen-Konsortium und „Tichys Einblick“, die Benningshoffs Angriffe in ein denkbar ungünstiges Licht rücken. Ein Blick in das Impressum von „Tichys Einblick“ und man erfährt Erstaunliches darüber, wo die Printausgabe gedruckt wird:

Druck Dierichs Druck + Media GmbH & Co. KG.
Fankfurter Str. 168, 34121 Kassel

Ausschnitt aus Impressum TE

„Tichys Einblick“ wird also in der gleichen Druckerei hergestellt wie die HNA, die wie Benningshoffs „Frankfurter Rundschau“ dem Ippen-Konzern gehören!

Halten wir also fest: Eine zu Ippen gehörende Druckerei produziert ein Magazin, von dem Benningshoff sagt, es lege quasi die Axt an unsere Demokratie. Wie passt das aber zusammen? Was soll uns das sagen? Daß es Ippens Unternehmungen so schlecht geht, daß er sich auch an solchen Aufträgen die Hände schmutzig machen muß? Oder daß Benningshoffs Chef zu der Sorte kühl kalkulierender Unternehmer gehören, für die Geld – entgegen aller vorgeblichen Ideale – trotzdem nie stinken kann?

Cancel Culture in Nordhessen

Es hat etwas Beklemmendes, einem wachen jungen Mann dabei zuzusehen, wie er sich gerade seine öffentlich-rechtliche Karriere verbaut. Aber es ist doch bewundernswert, wie leidenschaftlich er seinen „ganz krassen Freiheitsdrang“ lebt. (Die „Junge Freiheit“ über Nikolai Binner, Ausgabe 41-2021)

Nichts liegt dem notorischen HNA-Linksaußen Matthias Lohr mehr am Herzen als die Bekämpfung der Corona-Pandemie durch das Impfen. „Wir [können] nur durch das Impfen wieder als Gesellschaft zusammenkommen“, so Lohr in einem Beitrag auf seiner Facebookseite vom 30. Oktober 2021. Wer ein solch hohes Ziel setzt, dem kann der Abweichler nur ein Gräuel sein. Ein solcher Abweichler ist der junge Comedian Nikola Binner. Der hätte eigentlich mit seinem Programm „Grenzgang“ im Kasseler Theaterstübchen auftreten sollen.

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Doch daraus wird nichts. Einer jener unerträglichen Denunzianten hat via Twitter dafür gesorgt, daß der Betreiber dieser ehrwürdigen Kulturinstitution Markus Knierim den Auftritt kurzerhand absagte. Denn daß das Theaterstübchen „rechtsoffen“ sei, das wollte Knierim sich auf keinen Fall nachsagen lassen, wie Lohr in seinem Artikel „Der ‚Querleugner‘“ (HNA vom 26. Juli 2022) berichtet.

Der Ablauf ist wohlbekannt. Er funktionierte erst kürzlich bei der „Achse des Guten“, wo Werbepartner auf die gleiche Weise zum Absprung gedrängt wurden. Und er funktioniert auch, wie wir sehen, auf der Ebene der Provinz. Twitter vereint sie alle.

Bislang war Binner nur einer jener vielen Comedians, die sich nicht unbedingt durch Originalität vom Mainstream abhoben. Doch die vergangenen zwei Jahre der Corona-Pandemie müssen einiges in ihm zum Rutschen gebracht haben. Sein durchaus grenzüberschreitender Slogan „Impfen macht frei“ für Impfzentren in Anlehnung an die NS-Terminologie brachte Lohr besonders auf die Palme, weil sich dieser „gefährliche Schwachsinn“ gegen eine Maßnahme richte, „die unzählige Leben gerettet hat“.

Doch seine kritische Haltung gegenüber den Corona-Maßnahmen ist es nicht alleine, die ihn in das Visier spaßbefreiter Gesinnungswächter der political correctness stellt. Wer es schafft, in einem solchen Satz Annalena Baerbock, einen der grünen Lieblinge der Mainstreammedien, gemeinsam mit der Institution der Tagesschau zu verreißen, dem wird nie eine erfolgreiche Existenz außerhalb einer kleinen Nische zugestanden werden, dem wird niemals eine Einladung in die „heute-show“ zuteil: „Es kam heraus, daß man beim Lesen ihres Lebenslaufs öfter angelogen wird als bei zwei Minuten Tagesschau.“

Wer in diesem Vorgang einen Fall von Cancel Culture sieht, dem entgegnet HNA-Redakteur Lohr in seinem Kommentar, in welchem er die Absage des Theaterstübchens an Binner verteidigt: „Dabei ist das Canceln oft nur Widerspruch, mit dem jeder leben muss, der seine Meinung sagt.“ Das ist durchaus korrekt. Doch der Unterschied von Widerspruch und Cancel Culture liegt darin, daß letztes in ihrer aggressiven Nicht-Akzeptanz anderer Meinungen und Sichtweisen und den von ihnen auf anderen ausgeübten Druck eine existenzbedrohende Dimension annehmen kann. Das ist nichts anderes als das Brandmarken anderer Meinungen, für das es keinen besseren Begriff gibt als den der Denunziation. Es geht um nichts anderes als den Andersdenkenden auszugrenzen und ihn in seiner sozialen Existenz zu vernichten.

Binner scheint in diesem Fall noch Glück zu haben. Als Ersatz bot sich für diesen Freitagabend das „Savoy-nouvel“ in Schauenburg-Elgershausen an. Dessen Betreiber Dieter Jungermann wolle sich mit dem Auftritt ein eigenes Bild von Binner machen. Es kann gut sein, daß es gar nicht soweit kommt – weil die Antifa Lohrs Berichterstattung als Einladung auffassen könnte, hierbei ebenfalls die Gelegenheit für einen Auftritt in Elgershausen wahrzunehmen. Es würde uns nicht wundern, wenn Jungermann noch rechtzeitig umkippt.

Nikolai Binner Comedian & Autor – nikolaibinner.de

Gescheitert an sich selbst – aufgefangen vom System

Neben dem Schlagwort von der „Lügenpresse“ ist auch sehr oft von der artverwandten „Lückenpresse“ die Rede. Damit ist die von vielen Medien angewandte Manipulationstechnik gemeint, durch das Auslassen eines oder mehrerer wesentlicher Sachverhalte beim Leser bzw. Zuschauer einen bestimmten Eindruck zu hinterlassen. Das Interview der HNA mit Volker Beck in der Ausgabe vom vergangenen Donnerstag (21.07.2022) könnte man durchaus hier einordnen.

HNA-Redakteur Matthias Lohr interviewte den früheren Bundestagsabgeordneten der Grünen und heutigen Präsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft zum Dauerbrenner antisemitischer Kunstwerke auf der Documenta 15. An dieser Stelle soll es ausdrücklich nicht um den Inhalt dieses Interviews gehen, sondern um die Person Becks selbst und seine biographische Kurzbeschreibung durch die HNA.

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Quelle: HNA vom 21.07.2022

Zutreffend erwähnt die Kurzbiographie den Vorfall, als Beck im Sommer 2016 im Besitz der Droge Crystal Meth von der Polizei festgenommen wurde. Die ermittelnden Beamten kamen Beck durch die Observierung einer Dealerwohnung auf die Spur. Offenbar bewegte sich der Abgeordnete reichlich selbstsicher in einem zwielichtigen Milieu, von dem sich jeder Normalbürger schon der Eigensicherung wegen fernhält. Der Fall wurde gegen die Zahlung von 7000 Euro eingestellt, ein Betrag, der für einen langjährigen Mandatsträger wie Beck ein Klacks sein dürfte. Die WELT bezeichnete dieses den Konsumenten schnell zerstörende „Teufelszeug“ als die Partydroge der schwulen Szene: „Crystal Meth putscht auf, macht geil, spiegelt Größe vor – der Konsument fühlt sich wie ein Übermensch.“

Für Beck, der in Fragen der Moral die Meßlatte anderen gegenüber schon immer sehr hoch gehangen hat, führte der Vorfall zu einem jähen Karriereeinbruch, denn selbst für seine grünen Parteifreunden war hier eine Grenze überschritten. Er verlor alle seine öffentlichen Ämter, wollte jedoch auf das lukrative Bundestagsmandat nicht verzichten.

Die WELT meinte seinerzeit: „Wenn einer wie Beck, der so viel zu verlieren hatte, es wagt, höchstselbst in die Wohnung eines polizeibekannten Berliner Dealers zu gehen, dann sind dem Profi offenbar die Maßstäbe verrutscht.“

Der Irrtum dieser Annahme liegt jedoch darin, daß Beck für sich persönlich nie jemals so etwas wie aus einem bürgerlichen Wertekanon gebildete Maßstäbe vertrat, und genau hier kommen wir zu dem wesentlichen Punkt, der in der Kurzbiographie der HNA über Beck komplett unter den Tisch fällt.

1988 steuerte Beck zu dem Machwerk „Der pädosexuelle Komplex“ einen Text bei, in dem er unter anderem die kühne These aufstellte: „Eine Entkriminalisierung der Pädosexualität ist angesichts des jetzigen Zustandes ihrer globalen Kriminalisierung dringend erforderlich.“

Der Text blieb lange Zeit unterhalb der medialen Wahrnehmungsschwelle. Erst im Zuge der Aufarbeitung der grünen Verstrickungen in pädophile Strukturen vor ca. zehn Jahren wurde Beck wieder davon eingeholt. Beck behauptete dabei stets, sein Text sei vom Herausgeber sinnentstellend verfälscht worden. Recherchen der SPIEGEL entlarvten jedoch diese Schutzbehauptung als Lüge:

In der Affäre um die pädophilen Verstrickungen der Grünen hat der Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck die Öffentlichkeit jahrelang hinters Licht geführt. SPIEGEL-Recherchen im Archiv der Heinrich-Böll-Stiftung belegen, dass ein Manuskript aus dem Schwulenreferat der grünen Bundestagsfraktion, dessen Referent Beck war, nahezu identisch ist mit einem Gastbeitrag Becks für das Buch „Der pädosexuelle Komplex“.

Becks Position war seinerzeit noch derart gefestigt, daß er diese Affäre unbeschadet überstand. Über moralisches Kapital hatte Beck noch nie verfügt. Warum die Deutsch-Israelische Gesellschaft ausgerechnet ihn zu ihrem Vorsitzenden machte, kann nur aus dem Fortbestehen seines für ihre Zwecke wertvollen, politischen Netzwerkes oder der zunehmenden Bedeutungslosigkeit dieser Organisation erklärt werden. Die Besetzung von Vereinsspitzen mit zweit- und drittrangigen Politikern ist ohnehin gängige Praxis. Es ist dennoch wie ein letztes Auffangnetz, in einer Republik, in der es hingegen einen schwereren Karrierekiller darstellt, unangenehme Fakten über Zuwanderung auszusprechen oder gar an die Existenz lediglich zweier biologischer Geschlechter zu erinnern.

Aber warum verschweigt die HNA diesen nicht gerade unwichtigen Punkt um Becks Verstrickung in den „pädosexuellen Komplex“? Einerseits könnte hier mit Platzmangel argumentiert werden. Andererseits ist HNA-Redakteur Lohr schon immer durch eine auffallende Sympathie vor allem für das grüne Segment des politischen Spektrums aufgefallen, mit einem besonderen Wohlwollen für die, die dort bereits sehr weit am linken Rand stehen, wie seine Berichterstattung über die in Dresden vor Gericht stehende mutmaßliche Linksextremistin Lina E. hinreichend beweist.

Wie auch immer, die Leser der HNA sollten auch an diese Seite von Volker Beck erinnert werden. Das hilft, um jede Wortmeldung dieser „moralischen Lichtgestalt“ dahin einzuordnen, wo sie hingehört: In den Orkus des Vergessens.

Das Klima-Hochamt auf dem Holländischen Platz

Nun ist es endlich soweit: Nach Berlin hat auch in Kassel jene neue Form des Öko-Protestes Einzug gehalten, wonach Klima-Aktivisten sich auf dem Belag von Hauptverkehrsstraßen mit Sekundenkleber festkleben, um ihrem Anliegen durch Blockade des Verkehrs öffentlich Nachdruck zu verschaffen. So geschehen am vergangenen frühen Montagabend auf dem Holländischen Platz, Richtung Kurt-Wolters-Straße.

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Wer die Lokalität kennt, der weiß um die Wirkung. Der Platz ist einer der Hauptverkehrsknotenpunkte der Stadt, dessen Situation temporär durch die Teilsperrung der Hafenstraße verschärft ist. Rund eineinhalb Stunden wurde so der Verkehrsfluß unterbrochen, bis es Polizisten unter Anwendung von Olivenöl endlich gelang, die Aktivisten von der Fahrbahn zu entfernen. Der ohnehin ungesunde urbane Streßlevel dürfte bis dahin bei einigen der betroffenen Autofahrer neue Höhen erreicht haben.

Live dabei waren auch Pressevertreter. So auch von der HNA, die am Folgetag die Aktion gekonnt auf der Titelseite in Szene setzten. Ein Bild zeigt die Aktivisten aus der Rückenperspektive frontal gegen den stillstehenden Verkehr, passenderweise an vorderster Front ein schwarzer SUV, dem wohl wichtigsten Hassobjekt aller Ökobewegten – einfach ausgedrückt, in Anlehnung eines alten Commie-Spruchs: Alle Räder stehen still, wenn dein auf der Fahrbahn klebender Arm es will.

Ausschnitt HNA-Titelseite vom 24.05.2022

Die Anwesenheit der HNA-Journalisten am Ort wird wohl kaum zufällig gewesen sein. Naheliegend dürfte eine zeitnahe Information an die Redaktion vorgelegen haben. Und ebenso wenig wird es dem Zufall geschuldet sein, daß es sich bei dem Berichterstatter um Matthias Lohr handelt, der schon immer dadurch unangenehm aufgefallen ist, daß er seinen Journalistenberuf für seinen Linksaktivismus mißbraucht. Da ist eine solche Aktion ein gefundenes Fressen für ihn. Was wir hier erleben, ist eine perfekt orchestrierte Inszenierung, von der sich jemand wie Lohr nur allzu gerne vereinnahmen läßt. Es stellt sich allerdings die Frage, ob ein solches Zusammenwirken nicht den Tatbestand der Unterstützung zur Nötigung erfüllt.

An seiner Sympathie für die Aktivisten läßt Lohr jedenfalls keinen Zweifel. In der Kolumne „Standpunkt“ auf der Titelseite stellt er die Überlegung an, ob das Anliegen des Klimaschutzes „jede Form zivilen Ungehorsams rechtfertigt“. Seine Argumentation läuft auf ein lauwarm-distanziertes „Nein, aber…“ hinaus, an dessen Ende dann allerdings doch der Freibrief steht, in dem er eine aus seiner privaten Webseite wohlbekannte Phrase ins Spiel wirft: „Es könnte sein, dass uns unsere Enkel fragen, wo wir denn waren, als die Letzte Generation protestierte, um ihnen eine bessere Welt zu hinterlassen.“

Warum nennen sich die Aktivisten „Bündnis Letzte Generation“? Weil sie der tiefen Überzeugung sind, der letzten Generation anzugehören, die noch den angeblich unvermeidlichen Klimakollaps verhindern kann. Es ist ein wahnhafter Anspruch, dem durchaus etwas Narzisstisches anhaftet. Konsequent zu Ende gedacht ist der Übergang vom passiven Widerstand zum Terrorismus nur noch ein gradueller.

Allerdings können die „Ökosavonarolas“ (Heinz Hug) nicht behaupten, daß ihre Proteste keine Wirkung zeigten. Ihnen ist es mit zu verdanken, daß in den vergangenen Jahren eine fahrlässige Energiepolitik betrieben wurde, die nicht nur unsere industrielle Substanz angreift, sondern uns in eine höchst gefährliche Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen gebracht hat.

Halten wir uns an dieser Stelle auch noch folgendes vor Augen: Wir erleben hier mit HNA-Redakteur Matthias Lohr den Vertreter einer Zeitung in Aktion, die gegen alle Vernunft den Bau und Betrieb eines vollkommen überflüssigen Regionalflughafens in Calden promotete. Ein Flughafen, der nur deswegen keine klimaschädliche Wirkung entfalten konnte, weil der Flugbetrieb bislang extrem weit hinter den Erwartungen liegt. Hier werden tagtäglich öffentliche Gelder verbrannt, aber kein Kerosin. Und doch, wenn die Redakteure dieser Zeitung in einem einig sind, dann in der Beschwörung der Gefahren des „menschengemachten Klimawandels“, denn: „Kaum ein Wissenschaftler wird bestreiten, wie ernst die Lage ist.“ – Schizophrenie pur.

Wer alt genug ist, dem weckt die einseitige, geradezu ins Hysterische gesteigerte Fixierung auf das Klimathema Erinnerungen an die 1980er Jahre, die dominiert waren von Waldsterben, Giftstoffen und Atomangst. Auch damals war vor allem in der Jugend die pessimistische Grundstimmung überwiegend, einer Generation mit beschränkter Perspektive anzugehören. Und heute rasen die Angehörigen dieser Generation mit dem SUV durch immer noch nicht gestorbene Wälder und wählen als Ablaß die Grünen, während ihre Kinder freitags für das Klima die Schule schwänzen.

Was würde eigentlich passieren, wenn man den Aktionen dieser Öko-Sektierer in den Mainstreammedien in der gleichen Weise begegnen würde wie den zu „Covidioten“ und „Coronaleugnern“ verunglimpften Kritikern der Corona-Maßnahmen und den Skeptikern der Corona-Impfungen? Wie auch immer, den „wahrhaft Gläubigen“ des Bündnis Letzte Generation sei ein Aphorismus des Historikers Karlheinz Weißmann entgegengehalten: „Die Weltuntergangspropheten sind über ihre eigenen Voraussagen ziemlich alt geworden.“

Unterdessen berichtet die „Junge Freiheit“ auf ihrer Onlineseite, daß ein Manager der britischen Großbank HSBC vom Dienst suspendiert wurde. Sein Vergehen: Er verspottete auf einer Konferenz die Angst vor dem Klimawandel – „es gebe „immer irgendeinen Verrückten“, der das „Ende der Welt“ prophezeie. „Nicht fundierte, laute, parteiliche, eigennützige, apokalyptische Warnungen“ stimmten nie.


Zwei Buchempfehlungen zum Thema, zwar etwas älter, aber inhaltlich nach wie vor gültig:

Heinz Hug
Die Angsttrompeter: Dioxin im Frühstücksei, Pestizide überall und trotzdem leben wir immer länger. Die Wahrheit über die Gefahren aus der Umwelt
Gebundene Ausgabe, 360 Seiten, 2006
Dirk Maxeiner & Michael Miersch
Lexikon der Öko-Irrtümer 
Taschenbuch, 494 Seiten, 2000

Alles Trans oder was?

Die Titelseite der HNA vom vergangenen Montag hat eindrucksvoll vorgeführt, welche inhaltliche Prioritätensetzung die Redaktion vornimmt: Ein großer Kasten mit Bild weist auf die Schauspielkarriere einer Kasseler „Transfrau“ hin, die auf der Folgeseite in einem ganzseitigen Interview ein herausragendes Forum findet. Worum geht es? Es scheint sich biologisch um eine Frau zu handeln, die sich nicht als normale Frau fühlt, die einen biologischen Mann spielt, der sich als Frau fühlt… man will sich das gar nicht vorstellen. Wie auch immer, da konnte ich gleich weiterblättern auf Seite 3, ohne mich auch nur länger als drei Sekunden auf der vorhergehenden mit dem Interview aufzuhalten.

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„Bäumchen wechsel dich“: Das neue „Normal“ in der HNA

Aber ganz ehrlich, es ist in den letzten Jahren viel gesagt worden über die Blase, in denen sich der deutsche Journalismus bewegt. Einer seiner Lieblingsthemen ist die aus den USA zu uns übergeschwappte „woke“ Subkultur vor allem sexueller Minderheiten, deren Größe weit über ihre tatsächliche Bedeutung hinaus aufgeblasen wird, in allen tiefschürfenden Details. Was früher als Persönlichkeitsstörung ein Fall für den Psychiater war, ist heute höchster Ausdruck eines neuen zivilreligiösen Kultes um „Diversity“, der von der „Rest“-Gesellschaft nicht nur Akzeptanz fordert, sondern Respekt für sein Anderssein, mit allen Ansprüchen auf Förderung. Der britische Publizist Douglas Murray hat dazu geschrieben: „Von dem ganzen Wahnsinn der Massen, den wir derzeit erleben, sticht Trans insofern hervor, als dass es eine Art Rammbock geworden ist – als ob es das letzte fehlende Stück wäre, um die große patriarchalische Mauer endgültig niederzureißen.“

Ein deprimierendes Ergebnis dieser zweifelhaften Entwicklung ist die erklärte Absicht der Ampel-Regierung, bereits 14jährigen die irreversible, einer Verstümmelung gleichkommende Geschlechtsumwandlung auf eigenen Wunsch hin auf Kosten der Krankenkasse zu erlauben! Es ist paradox: Sexuelle Devianz ist das neue „normal“. Wer laut Zweifel äußert, dem winkt die juristische Keule des „Hass-Verbrechens“.

In diesen Zeiten, wo uns Kriegsangst, Inflation, Covid-Panikmache und vieles andere von existenzieller Bedeutung umtreiben, den zahlenden Lesern einen solchen Mist vorzusetzen, kann man sich eben nicht anders erklären als mit dem besagten Blasendenken des journalistischen Milieus. Dort muss man derartige Themen wahnsinnig „hip“ finden, ohne auch nur einen kritischen Gedanken daran zu verschwenden. Daß die Mehrheit der Leser dem auch nur etwas abgewinnen kann, ist jedenfalls eine gewagte Annahme. Wer derart seine Zeitung gestaltet, der hat sich die Flucht der Leser redlich verdient.

Die geistigen Verheerungen „woker“ Kultur.
Douglas Murray
Wahnsinn der Massen: Wie Meinungsmache und Hysterie unsere Gesellschaft vergiften
2020, 352 Seiten, 24,99 Euro

Der Herr Carl und die Pressefreiheit

Es konnte nicht ausbleiben, daß die HNA am vergangenen Montag gleich auf ihrer Titelseite den Tag der Pressefreiheit in seiner Bedeutung würdigte. In der Kolumne „Standpunkt“ zog Nachrichtenredakteur Jörg S. Carl den Bogen zu den russischen Verhältnissen, wo die Pressefreiheit nicht gegeben ist: „Das System Putin hat die Medien im Land gleichgeschaltet und der staatlichen Kontrolle unterworfen.“

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HNA-„Standpunkt“ vom 03. Mai 2022

Dem wiederum stellt er die Verhältnisse in Deutschland gegenüber, wo es „glücklicherweise keinen Mut [bedarf]“, um kritische Dinge zu schreiben, denn hier scheinen für die Pressefreiheit ideale Zustände zu herrschen: „Nur sie garantiert einen unabhängigen Journalismus, der die Fakten abbildet und der Wahrhaftigkeit verpflichtet ist. Als elementarer Bestandteil des demokratischen Systems ist die Pressefreiheit nicht hoch genug einzuschätzen, weil sie das Funktionieren eines demokratischen Gemeinwesens erst möglich macht. (…) Sie ist Voraussetzung für die Meinungsbildung, für die Freiheit der kritischen Rede und der kontroversen Debatte. Darum ist sie einer der zentralen Unterschiede zwischen Demokratie und totalitärem Staat.“- Platituden aus der Echokammer eines Mainstreamjournalisten.

Herr Carl schaut gen Osten und übersieht die keineswegs seinem Idealbild entsprechende Realität hierzulande. Gewiß, in Deutschland riskiert kein Journalist Lagerhaft, wenn er die Regierung kritisiert. Doch auch hier gibt es jenseits eines immer enger gewordenen Meinungskorridor toxische Tabus, die laut anzurühren, empfindliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Was würde einem Journalisten eines großen Pressemediums widerfahren, wenn er nur allein in der Redaktionskonferenz einen der folgenden K.O.-Sätze äußert:

  • Der Westen trägt eine Mitverantwortung am Ausbruch des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine
  • Fridays for Future ist eine Polit-Sekte
  • Gender Mainstreaming ist eine Pseudowissenschaft
  • Die Wirksamkeit der staatlichen Corona-Maßnahmen und der Impfungen auf das Pandemiegeschehen werden weit überschätzt
  • Die Gefahren des Klimawandels werden medial überhöht
  • […]

Belassen wir es bei diesen Punkten, denen wir noch viele weitere anhängen könnten. Wie auch immer, es sind Sätze, die ihren Sprecher sehr einsam werden lassen, zum Unberührbaren, zur Unperson, der für eine weitere Beschäftigung in den MSM zu ungenießbar geworden ist. Wer sich derart äußert, riskiert hierzulande zwar keine 15 Jahre Gefängnis, aber ein informelles Berufsverbot – und zwar lebenslänglich! Und auch Herr Carl hat in seinen Texten nie etwas anderes getan, als sich in den besagten Meinungskorridor zu bewegen und sich seiner Verengung geschmeidig anzupassen.

Es würde den Rahmen sprengen, an dieser Stelle die Ursachen der Glaubwürdigkeitskrise des heutigen Journalismus zu erörtern. Tatsache jedoch ist, daß sie besteht, von vielen Medienkonsumente als solche benannt wird („Lügenpresse“) und auch Thema zahlloser Fachartikel und -publikationen ist. Am deutlichen wurde dieser Mißstand zuletzt in der Coronapandemie, als sich die Mainstreammedien zu regierungsfrommen Verlautbarungsorganen erniedrigt haben, die jeden Zweifler zum „Schwurbler“ und „Querdenker“ diffamierten. Die HNA ist dabei keine Ausnahme, die sonst nichts anderes tut, als dem von den großen Pressehäusern vorgegebenen „Trend“ zu folgen, anstatt eigene Akzente zu setzen.

Eigentlich hätte es Herr Carl gar nicht so schwierig, sich Anschauungsmaterial zu besorgen, wie guter, kritischer Journalismus geht. Das nonkonforme und zunehmend populärere Magazin „Tichys Einblick“ wird in der hauseigenen Druckerei der HNA produziert.

Aber dennoch werden wir uns hüten zu behaupten, Herr Carl sei ein branchentypisches Beispiel dafür, daß man auch trotz abgeschlossenem Studium der Politikwissenschaften und mit jahrzehntelanger Berufserfahrung als Lohnschreiber einer Provinz-Journaille nur über eine beschränkte Sicht verfügen kann – auf sich selbst, seinen Beruf und die Welt insgesamt.

Zwischen „Hosianna“ und „Kreuzige ihn“

Aus der christlichen Tradition kommt die Spruchweisheit, daß nur ein kurzer Weg zwischen „Hosianna“ und „Kreuzige ihn“ besteht. Damit bezieht sie sich auf jene Phase der Evangelien, in denen Jesus Christus am Ende seines Lebensweges unter den Hosianna-Rufen (Hosianna: „Hilf doch!“, „Hilf bitte!“) des Volkes in Jerusalem einzieht und nur wenige Tage später auf Zuruf des gleichen Volkes dem Henker überantwortet wird, der ihn ans Kreuz schlägt. Die höhnische Aufschrift über ihm: „Jesus von Nazareth – König der Juden“.

Gewiß, der SPD-Politiker Karl Lauterbach ist von den Medien nicht zum Messias erhoben worden, aber doch zu einer Art Erlösergestalt, die uns aus der Krise der Corona-Pandemie führen soll. Nach jahrelangem Dasein als einfacher Bundestagsabgeordneter hatte er nach der Bundestagswahl endlich den Höhepunkt seiner politischen Karriere erreicht: Im Kabinett der von Olaf Scholz geführten Bundesregierung nahm er den Posten des Gesundheitsministers ein.

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Die Medien waren voll des Lobes für Lauterbachs Aufstieg. Geradezu hymnische Lobgesänge kamen aus den den strengen Corona-Kurs stützenden Mainstreammedien. Auch die nordhessische Monopolzeitung HNA (Hessische/Niedersächsische Allgemeine) bot in einem peinlich zu lesendem Elaborat geradezu schleimige Stilblüten. Nach nur wenigen Wochen im Amt urteilte offenbar in Abwesenheit eines kritischen Sachverstandes am 10. Januar der Leiter des Kasseler Lokalredaktion Florian Hagemann:

Lauterbach hat es in wenigen Wochen im Amt längst zu King Karl geschafft… Lauterbach ist omnipräsent, er ist Karl Überall. (…) Das ist insofern erstaunlich, als dass es diese Art von Politiker bisher eigentlich gar nicht gab. Lauterbach ist nämlich immer noch in erster Linie Professor, der die Dinge versucht, mit seinem Hintergrund als Wissenschaftler zu erklären – untermauert mit dem Hinweis auf diese und jene Studie. Seine Vergangenheit verleiht dem Mediziner dabei die nötige Glaubwürdigkeit. (…)

Dass sehr viele Menschen Lauterbachs Art honorieren und sie sich nach genau einem solchen Fachmann im Amt sehnen, ist ein gutes Zeichen. Die hervorragenden Umfragewerte für einen wie Lauterbach könnten die Besetzung von Ministerposten schließlich nachhaltig verändern – und damit auch den politischen Stil an sich. Der kraftprotzende Machtpolitiker vom Schlage Schröder ist heute sowieso längst Außenseiter und wirkt von vorgestern. Olaf Scholz hat es nicht mit Wumms ins Kanzleramt geschafft, sondern als eine Art zweite Angela Merkel. Vizekanzler Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner fallen eher durch ihre smarte Art auf als durch Gebrüll – der philosophierende Welterklärer Habeck freilich mehr als der temperamentvollere Lindner. Die Beliebtheitswerte von Karl Lauterbach erreichen aber auch sie nicht. Womöglich aus einem einfachen Grund: Weil Karl Lauterbach sich nicht verstellen muss, um einfach Karl Lauterbach zu sein.

HNA vom 10. Januar 2022

Warnende Vorbilder für derart medial gehypte Höhenflüge, die wie Ikarus nach zu starker Annäherung an die Sonne schnell und schmerzhaft auf den Boden der Tatsachen fallen, gab es bis dahin genug: Karl-Theodor zu Guttenberg, der auf dem Höhepunkt seiner Karriere wegen einer gefälschten Dissertation aus dem Amt des Verteidigungsministers flog, und Matthias Platzek, der mit viel Vorschußlorbeeren aus den Medien bedachte SPD-Vorsitzende, der aber nach nur einem halben Jahr der Überforderung aus dem Amt floh, sind nur zwei prominente Beispiele.

Denn inzwischen dreht sich der Wind aus der Wissenschaft und den dem Mainstreammedien gegen Lauterbach. Seine fortlaufende Masche, apokalyptische Sirenengesänge vorzutragen über die unvorhersehbaren und rein spekulativen Gefahren aus der Zukunft, in der sich das Coronavirus zu einer „Killervariante“ entwickeln würde, haben offenbar bei nicht wenigen Experten den Geduldsfaden reißen lassen. Und das erstaunliche ist: Aus den Mainstreammedien stellt sich kaum einer schützend vor den Minister.

In der HNA vom 20. April waren nun in der „Standpunkt“-Kolumne aus der Feder von Ulrich Riedler folgende erstaunliche Worte zu lesen:

Das Gesundheitsministerium zählt gewiss nicht zu den einfachsten Ressorts der Bundespolitik. (…) Und es erweist sich erst recht in Krisenzeiten mitunter als halsbrecherisch. Zuletzt stürzte ein Hoffnungsträger der Christdemokraten darüber. Dessen SPD-Kollege und Nachfolger Karl Lauterbach ist nun auf dem besten Wege, es Jens Spahn gleich zu tun. (…)

Seither hat sich Lauterbach Mühe gegeben, in der Welt der Realpolitik zu reüssieren, doch einiges mutet bislang befremdlich an. Erst ließ er sich beim Thema des Endes der Corona-Isolationspflicht im Kabinett die Butter vom Brot nehmen, um diese Lockerung wenig später wieder zu kassieren – im Fernsehen. Nun warnt er in der „Bild“-Zeitung vor Killerviren im Herbst, was ihm erneut massive Kritik einbringt.

Wie ministrabel ist Lauterbach überhaupt? Noch immer tut er sich schwer damit, dass man genau abwägen muss, wo man sich in welcher Form äußert. Auftritte in Talk-Shows und Interviews für die Boulevard-Presse sind eher hinderlich, wenn es um Strategien der Pandemie-Bekämpfung geht.

Ein Politiker unterscheidet sich vom Wissenschaftler nicht nur durch Dickfelligkeit, sondern auch durch Pragmatismus und das Gespür für richtiges Timing. All dies fehlt dem Experten Lauterbach noch. Er täte gut daran, es schnell zu lernen.

HNA vom 20. April 2022

Gerade einmal 101 Tage liegen zwischen den beiden vollkommen konträren „Standpunkt“-Kolumnen Hagemanns, der Lauterbach zum König krönte, und Riedlers, der ihn entzauberte. Noch ruft niemand nach Entlassung des Ministers, aber es sieht ganz danach aus, als ob der als Adler gestartete Lauterbach gerade dabei ist, seinen Sinkflug zum Bettvorleger hinzulegen. Von „König Karl“ wie HNA-Redakteur Hagemann oder gar „Karl der Große“ (DIE ZEIT) will niemand mehr reden.

Inzwischen dürfen wir uns verwundert die Augen reiben, wenn uns auf WELT Online die Journalistin Anna Scheider eröffnet, daß Karl Lauterbach in der Bundestagsfraktion der SPD alles andere als beliebt ist. Man beginnt zu ahnen, welch vergiftetes ausgerechnet von jenen auf die Oppositionsbänken verbannten Unionspolitikern kam, die Lauterbach als Idealbesetzung für das Gesundheitsressort empfahlen, so als ginge es ihnen in Wahrheit darum, den „Laden“ von innen her aufzulösen.

Es lichten sich also zunehmend die Schleier und offenbaren uns das Bild eines Mannes, der allein durch seine Talkshowpräsenz als Endzeitprediger und Angsttrompeter glänzte, aber nie als kompetenter Experte, der fähig wäre, ein Ressort wie das Gesundheitsministerium zu leiten, geschweige denn, eine Krankheit wie Covid-19 realistisch einzuschätzen. In seinem Auftreten gab Lauterbach lediglich den Komplementär für die in ihn gesteckten Erwartungen der Medien, mehr aber auch nicht.

Wagen wir zum Abschluß zwei Prognosen:

Karl Lauterbach wird sein Amt nicht bis zum Ende der Legislaturperiode ausüben. Sein Ende als Minister wird alles andere als rühmlich sein.

Und die Mainstreammedien, denen wir seinen irrealen Aufstieg zu verdanken haben, werden dann als allerletzten in sich gehen und selbstkritisch fragen, welchen Beitrag sie zu diesem absehbaren Desaster geleistet haben.