Boris Mijatovic, die HNA und die türkischen Präsidentschaftswahlen in Kassel

Über Hans Eichel (SPD) wußte seinerzeit der SPIEGEL zu berichten, daß er sich nach Übernahme des hessischen Ministerpräsidentenamtes über die ihm gegenüber sehr forsch auftretende Presse in Südhessen wunderte. In Kassel, wo er zuvor Oberbürgermeister war, seien die Journalisten sehr viel netter zu ihm gewesen. Unbestreitbar war über die Jahrzehnte in Nordhessen das Verhältnis zwischen der HNA und der Sozialdemokratie sehr innig gewesen. Das lag zum einen daran, daß die HNA eine Monopolstellung innehat und sich von daher mit keiner Konkurrenz messen mußte, aber vermutlich auch an der Erpressbarkeit ihres Herausgebers Paul Dierichs (1901 – 1996) ob seiner belasteten Vergangenheit im Dritten Reich. Doch die Zeiten und mit ihr der Zeitgeist ändern sich, und so sind nun die Grünen an die Stelle der SPD getreten, wenn es um die politischen Sympathien der HNA-Redakteure geht.

Am vergangenen Sonntag veröffentlichte WELT Online einen Bericht darüber, wie der Kasseler Bundestagsabgeordnete der Grünen, Boris Mijatovic, für Frust in der Bundeswehr sorgte. Erst kürzlich besuchte der Abgeordnete ein BW-Camp im Kosovo, wobei er jedoch nicht das Gespräch mit den „Soldat*innen der Truppe“ suchte. Ein dort stationierter Reservist beklagte bei dem stets um korrektes Gendern bemühten Mijatovic daraufhin die Mißachtung gegenüber den einfachen Soldaten:

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Das Verhalten des Abgeordneten zeige ihm, so Meier, „wie weit doch die Vertreter der Politik, trotz aller Versicherungen, von uns Soldaten entfernt sind“. Er habe bei sechs Auslandseinsätzen noch nie erlebt, dass „die Soldaten vor Ort mit derartiger Missachtung behandelt“ wurden.

Er werde daraus persönliche Konsequenzen ziehen und „nicht nur, aber auch aufgrund Ihres Verhaltens nun nach über 30 Jahren Dienst für dieses Land endgültig einen Schlussstrich ziehen und auch für Reserveübungen nicht mehr zur Verfügung stehen“.

Frustrierte Soldaten: Wie ein grüner Bundestags-Abgeordneter einen Reservisten aus der Bundeswehr vertreibt – WELT

Nur zwei Tage nach der WO-Veröffentlichung durfte Mijatovic sich in der HNA vom 16.05.2023 von seiner besten Seite zeigen. In einem von dem erklärten Grünen-Sympathisanten Matthias Lohr geführten Gefälligkeitsinterview durfte er über seine Rolle als Wahlbeobachter in der Türkei Auskunft geben. Lediglich an einer Stelle erlaubte sich Lohr einen kleinen Einwand, als Mijatovic die Gelegenheit nutzte, mit einem Seitenhieb der Kasseler SPD der Türkei ähnliche manipulative Taktiken bei der Stimmauszählung zu unterstellen. Ob es ihm nur darum ging, die Genossen zu ärgern oder die türkischen Verhältnisse zu relativieren – in Kassel jedenfalls werden Grüne und SPD offenbar so schnell keine Freunde mehr.

HNA-Interview mit Boris Mijatovic vom 16. Mai 2023

Doch am Ende des Interviews wird es richtig interessant:

In Deutschland gehören traditionell viele Türken dem Erdogan-Lager an. Welche Eindrücke haben Sie etwa in der Kasseler Community gemacht?

Es stimmt, dass in der Vergangenheit viele Erdogan gewählt haben – wie viele in der Türkei auch. Mittlerweile gibt es hinter der Euphorie jedoch einige Fragezeichen. Auch von Deutschland aus ist die Wirtschaftskrise in der Türkei nicht zu übersehen. So wie es aussieht, wird es am 28. Mai eine ganz enge Kiste.

Mittlerweile liegen die Auszählungsergebnisse der türkischen Präsidentschaftswahlen auch für die großen Städte Deutschlands vor, und was Kassel angeht, so waren diese alles andere als „eine ganz enge Kiste“.

Während selbst im „Shithole“ Berlin Erdogan nur 49,2 Prozent holte, stand Kassel in dieser schon aussagekräftigen Auswertung mit 71,3 Prozent an dritter Stelle!

Mit anderen Worten: Der Möchtegern-Sultan hat in der türkischen Community Kassels eine seiner sichersten Bastionen. Wie jedoch läßt sich dieses Ergebnis mit dem vielbeschworenen Anspruch der nordhessischen Initiative „Offen für Vielfalt – Geschlossen gegen Ausgrenzung“ und einer Stadt „für Vielfalt, Toleranz und demokratische Werte“ damit in Übereinstimmung bringen, daß ausgerechnet die größte Zuwanderergruppe mit ihrem Votum für den türkisch-islamistischen Autokraten am Bosporus zeigt, was ihr dies wert ist.

Ein Blick zurück: Im Februar 2018 durfte der Vorsitzende des Kasseler Ausländerbeirats, Kamil Saygin, eine erstaunliche Sicht auf das ansonsten als recht problematisch wahrgenommene Verhältnis zwischen Deutschen und Türken werfen:

Definieren sich die Kasseler Türken als Deutsche oder als in Deutschland lebende Türken?

SAYGIN: Die Leute sehen sich in erster Linie als Menschen. Fragen der nationalen Zugehörigkeit spielen nach meinen Beobachtungen eine untergeordnete Rolle. Vielmehr herrscht Unverständnis über diese immer wieder vorgebrachte Frage.

Aber hat nicht jeder Mensch eine nationale Identität?

SAYGIN: Die Menschen mit Zuwanderungsgeschichte definieren sich eher als Kasselerinnen und Kasseler oder Nordhessinnen und Nordhessen. Zugehörigkeit und Verwurzelung erstreckt sich für viele Menschen mit türkischem Hintergrund irgendwo zwischen Kassel, Vellmar, Baunatal, Istanbul, Izmir, Konya, Mardin, Ankara oder Trabzon.

Seit vergangenem Sonntag wissen wir, was wir von solch schönen Worten zu halten haben: Ein Märchen wie aus „1000 und eine Nacht“… Die irrealen Wunschvorstellungen eines grünen Sektierers, der „Vielfaltsanspruch“ unserer Stadt, sie sind allesamt miteinander gescheitert. Unglaubwürdig ist damit auch die HNA, die die Wahl in Kassel mit seichten Stories begleitet hat. Aufgabe einer kritischen Presse wäre es eigentlich nun, dieses Scheitern auch zu benennen und es auch selbstkritisch zu reflektieren.

Aber im Falle der HNA werden die Leser lange darauf warten müssen…

Das Ergebnis der „Energiewende“ wird bestimmt kein immerwährendes Straßenfest sein

Die Mainstreammedien sind überwiegend eine zuverlässige Bastion der Grünen. Das gilt auch und besonders für die HNA. Drei ihrer Redakteure fallen immer wieder als zuverlässige Sympathisanten dieser Polit-Sekte auf. Zum einen Matthias Lohr, der aus seiner Haltung pro-grün, pro-Klimakleber noch nie einen Hehl gemacht hat. Zum anderen Florian Hagemann, Leiter der Lokalredaktion Kassel. Geradezu servil biederte jener sich zuletzt am 27. März nach der Stichwahl zum Kasseler OB dem Kandidaten der Grünen an:

„Sven Schoeller hat es hier mit 51,2 Prozent geschafft. Was im ersten Moment als schwaches Mandat daherkommt, ist in Wahrheit ein respektabler Wahlsieg“, so Hagemann in seiner Eloge. Den „Schönheitsfehler“, daß dieser Kandidat trotz fehlendem Gegenkandidaten – Favorit Christian Geselle schied aufgrund einer Hetzkampagne gegen seine Person freiwillig nach dem ersten Wahlgang aus – noch fast die Hälfte der ihre Stimme abgebenden Wahlberechtigten zu einem „Nein“ gegen seine Person motivieren konnte, übersieht Hagemann geflissentlich. Nebenbei, das amtliche Endergebnis reduzierte den „respektablen Wahlsieg“ auf 50,38 Prozent, also noch knapper als gedacht. Aber gut, das konnte Hagemann noch nicht wissen. Wer weiß jedoch, wie viele in Erwartung dessen noch gegen Schoeller zur Wahl gegangen wären, war doch die Stimmung „Jeder andere, nur kein Grüner!“ in der Stadt zum Greifen nahe?

Der Dritte der grünen Apologeten in der HNA ist Andreas Hermann. Vor dem traditionell mit hohem Aufwand begangenen „Tag der Erde“ am 23. April erklärte er den Lesern der HNA seine Sicht auf die angeblich herausragende Bedeutung dieses Tages. Apodiktisch schickte er voraus:

„Unsere Autos, die Benzin und Diesel verbrennen, gehören abgeschafft. Unsere Heizungen, die mit Öl und Gas betrieben werden, gehören ausgetauscht. Und zwar schleunigst.“

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Trotz aller von ihm widerwillig anerkannten Umstellungs- und Akzeptanzprobleme brachte er letztlich volles Verständnis für die Klima-Pläne der Ampel-Regierung auf:

„Dass die Politik Fristen setzen muss [sic!], um die von ihr beschlossenen Klimaziele zu erreichen und letztlich auch durchsetzen zu können, ist nachvollziehbar. Sympathischer machen diese fristsetzenden Drohgebärden den Umwelt- und Klimaschutz allerdings nicht.“

Doch Hermann ist sich sicher:

„Längst leuchtet den meisten Menschen die Notwendigkeit zur Abkehr von fossilen Brennstoffen, zum Umstieg auf erneuerbare Energien sowie zur Reduzierung von Abgasen und Abfällen ein.“

Schlußendlich hebt er das Straßenfest zum „Tag der Erde“ hervor, geradezu wie eine Vorausschau in das gelobte Land der Klimaneutralität:

„Dass es sogar Spaß machen kann, sich mit Themen rund um den Klima- und Umweltschutz zu beschäftigen, wird an diesem Sonntag eine Veranstaltung in Kassel zeigen. Nach drei Jahren pandemiebedingter Einschränkungen wird dort der Tag der Erde wieder mit Zehntausenden Besuchern gefeiert. Zu dem Kasseler Umweltfest wird seit 1990 eingeladen. In den mehr als drei Jahrzehnten hat es sich zur größten Veranstaltung seiner Art in der ganzen Republik entwickelt.

Wer am Sonntag am Kasseler Auedamm vorbeischaut, der kann sich an vielen Ständen der Festmeile jede Menge Anregungen für die eigene kleine Klima- und Energiewende holen. Die Informationen gibt’s beim Tag der Erde von den Experten vor Ort. Im direkten Gespräch. Ganz ohne Drohgebärden von oben.“

HNA, „Standpunkt“ vom 22. April 2923

Erinnern wir uns an dieser Stelle daran, wie unlustig es auf dem „Tag der Erde“ zugehen kann. Als 2018 ein Metallhandwerker es wagte, auf dem fleischlosen Straßenfest alternativ Bratwürste aus Wildschwein anzubieten, hörte der Spaß auf. Es hagelte Beschwerden und strafverschärfend wurde der harmlose Provokateur als „Nazi“ und „Reichsbürger“ diffamiert. Eine deutliche Drohung an alle, es ihm keinesfalls nachzumachen.

Nach Wildschwein-Grillen bei Tag der Erde: Kasseler Künstler fühlt sich diffamiert (hna.de)

Nach wie vor ist das Imbiss-Angebot am „Tag der Erde“ ausschließlich vegan. Auch in diesem Jahr blieben selbst Bio-Metzger ausgeschlossen. Wenn auf solchen alternativen Straßenfesten von „Vielfalt“ die Rede ist, ist damit noch lange nicht das Nahrungsangebot gemeint. Stattdessen durften die Besucher unter anderem aufgeweichte holländische Fritten für bescheidene 6,- Euro essen.

Doch zum Grundsätzlichen dessen, was Hermann in seinem „Standpunkt“ anspricht: Nichts ist gefährlicher, als scheinbare Gewißheiten zur Grundlage einer tief in unser aller Leben eingreifenden Politik zu machen. Im Falle der Energiewende, die laut dem Grünen-Urgestein und Ex-KBWler Jürgen Trittin nicht mehr als „eine Kugel Eis“ kosten sollte (eine Gewißheit, inzwischen selbst geschmolzen wie Eis in der Augustsonne), machen sich die Widersprüche und Negativfolgen jetzt endlich deutlich bemerkbar.

Da ist zum einen der Einzelgänger Deutschland, der seine bisherige Energieversorgung sukzessive im Eiltempo von Autarkie auf Stromimporte (beispielsweise aus französischen Kernkraftwerken) und wetterabhängigen Erneuerbaren Energien wie Windkraft umstellt, um damit die von der Politik forcierten E-Autos und Wärmepumpen zu betreiben. Der Rest der Welt denkt gar nicht daran, Deutschland auf diesem Weg nachzueifern, im Gegenteil.

Warum auch? Denn bis heute haben es die Wissenschaftler nicht geschafft, das System „Klima“ vollumfänglich so zu verstehen, daß daraus allgemeingültige politische Handlungsempfehlungen unumstößlichen Charakters abzuleiten wären, egal wie oft und laut Prof. Dr. Kurt Rohrig im Klimaschutzrat Kassel wettert, es stünde in der Klimakrise „Fünf vor Zwölf“.

Nehmen wir nur die Ergebnisse einer veröffentlichten Studie über die aus Eisbohrkernen gewonnenen Daten über den Temperaturverlauf im Grönland der letzten 4000 Jahre. Die große Überraschung für alle Klimasektierer:

„Die Grafik zeigt neben einer sehr hohen Variabilität der Temperatur, dass es in den 1930er und 1940er Jahren im Zentrum Grönlands ähnlich warm war wie derzeit, ebenso in den 1140er Jahren der sogenannten Mittelalterlichen Warmzeit. Die derzeitigen Temperaturen in Grönland sind damit noch innerhalb der natürlichen Variation des Klimasystems.

Schaut man sich die untere Kurve an, erkennt man zudem, dass es vor dem Jahre 1000 viele Perioden gab, die noch deutlich wärmer waren als heute, insbesondere um das Jahr 700 herum sowie um 1350 v.Chr. Das Fazit dieser Studie ist somit: Bisher ist für das Zentrums Grönlands keine Erwärmung nachzuweisen, die es nicht schon einmal in der Vergangenheit gegeben hat.“

Nur wenige Tag nach dem „Tag der Erde“ stellte mit Viessmann eines der bedeutendsten Industrieunternehmen und Technologieführer in der Heiztechnik des Landes der Ampelregierung eine erste Quittung für den verhängnisvollen Kurs in der Energiewende aus und gab den Verkauf an einen US-amerikanischen Konzern bekannt. Die dafür in den Medien gelieferte Erklärung, es handle sich lediglich um eine Stärkung der globalen Wettbewerbsfähigkeit, ist allerdings keine überzeugende und zureichende Erklärung für einen Verkauf ins Ausland. Sie ist eher eine Bestätigung für den Ausverkauf eines Landes, dessen Energieversorgung wettbewerbsschädigend ist und die auf dem Selbstbetrug von Subventionen basiert. Während die HNA im Sinne Habecks dieses Wetterleuchten sogar für den Abschied von der Industriegesellschaft und damit auch von gut bezahlten Arbeitsplätzen relativierte, schlugen andere Alarm:

Mit dem Klimatechnik-Konzern Viessmann wechselt eine industrielle Perle Deutschlands in amerikanische Hände. Das ist ein Alarmzeichen. Doch der Bundeswirtschaftsminister versucht schönzureden, was wohl nur der Anfang des Ausverkaufs einer deutschen Vorzeigebranche ist.

Die Übernahme zeige doch, dass „der Markt für Wärmepumpen so attraktiv ist, dass er Investitionen anzieht“, freut sich Robert Habeck öffentlich.

Mit Verlaub: Es ist nicht der „Markt“, der die Firmenkäufer aus den USA und Asien anzieht. Es ist eine staatlich erzeugte Sonderkonjunktur für Wärmepumpen, finanziert vom deutschen Steuerzahler. […]

https://www.welt.de/wirtschaft/plus245017556/Viessmann-Taeuschung-Habeck-redet-schoen-was-nicht-schoenzureden-ist.html

Ja, Herr Hermann, die Energiewende macht Spaß, da kommt Freude auf…

Twittereintrag Don Alphonso

Zum passenden Abschluss noch eine modifizierte Weissagung, die fälschlicherweise den Cree zugeschrieben wird:

Erst wenn das letzte Großunternehmen ins Ausland verkauft, das letzte mittelständische Unternehmen abgewickelt, der letzte Kleinselbständige pleite ist, werdet ihr merken, wie verwöhnt ihr seid, welche Fehler ihr gemacht habt und dass ihr so nicht leben wollt… und dass man Gendersterne nicht essen kann.

Lügen, verdammte Lügen und die Statistiken der HNA

Das neue Jahr war erst wenige Tage alt, da äußerte sich HNA-Redakteur Jan Schlüter in der Kolumne „Standpunkt“ zu der Silvesterschlacht um Berlin. Darin die üblichen wohlfeilen Floskeln, die nach solchen Ereignissen folgen und doch keine Konsequenzen nach sich ziehen, wie:

„Es darf in Deutschland nirgendwo No-Go-Areas geben. Es darf auch nicht für kurze Zeit akzeptiert werden, dass der Staat das Gewaltmonopol verliert.“

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HNA-Standpunkt vom 05.01.2023

Nun, diese starke Rhetorik ist immer noch Lichtjahre entfernt von jenem bedenklichen pathologischen Zustand der Hyperventilation, den die HNA-Redaktion erfasste, als im März 2021 mehr als 20.000 Menschen friedlich in der Kasseler Innenstadt gegen die Corona-Politik demonstrierten. Auch zeigt Schlüter gegenüber den Berliner Tätern der Silvesternacht in gewisser Weise mehr Nachsicht als mit den damaligen Demonstranten, denn zum Schluß macht er eines unmißverständlich klar:

„Falsch wäre es, die bisherige Migrationspolitik in Frage zu stellen.“

Man darf annehmen, daß er damit in seiner Funktion als stellvertretender Chefredakteur auch die Blattlinie der HNA zum Ausdruck gebracht hat.

Keine vier Wochen und zwei mit einem Messer ermordete Passagiere im Todeszug nach Brokstedt später, versucht uns die HNA über den mutmaßlichen Täter, einem vor wenigen Jahren illegal nach Deutschland eingereisten, staatenlosen Palästinenser, aufzuklären. Der entsprechende Artikel „Heimatlos, isoliert, gewalttätig“ wurde von dpa übernommen. Darin zu Wort kommt der „Experte“ Rafael Behr. In der vollständigen Fassung des Artikels, wie er zeitgleich im „Tagesspiegel“ veröffentlicht wurde, wird Behr in einem Absatz, der in der Druckausgabe der HNA fehlt, folgendermaßen zitiert:

Womöglich sei nach der sogenannten Flüchtlingswelle von 2015 aber auch die Chance verpasst worden, ausreichende Ressourcen für Integrationsmaßnahmen zu mobilisieren, anstatt das Geld für mehr Polizei auszugeben. Gleichzeitig müsse allen klar sein: „Integration funktioniert nie hundertprozentig“, sagt Behr. „Ein paar Randständige wird es immer geben.“

Ausschnitt aus HNA-Artikel „Heimatlos, isoliert, gewalttätig“

Welche Intention die HNA damit verfolgte, diesen Passus herauszunehmen, bleibt offen. Jedoch hat der Publizist Henryk M. Broder in seinem Onlinemedium „Die Achse des Guten“ Behr für diese schrägen Sätze in die ironische Rubrik „Bedeutende Denkerinnen und Denker des 21. Jahrhunderts“ aufgenommen.

Geradezu beruhigen soll es wohl den Leser, wenn der Artikel zur Delinquenz von migrantischen Straftätern folgendes mitteilt:

Auch das bundesweite Lagebild zur Kriminalität im Kontext von Zuwanderung hilft hier nicht viel weiter. Es hält lediglich fest, dass der Anteil von Zuwanderern an den Tatverdächtigen bei Straftaten gegen das Leben 2021 bei 12,8 Prozent lag.

Im Fünf-Jahres-Vergleich zeigt sich in diesem Deliktsbereich laut Bundeskriminalamt (BKA) kein Anstieg.

Lassen wir einmal die Fragwürdigkeit dieser Statistik beiseite. Es gäbe einiges dazu zu sagen. Problematisch an dieser Aussage ist, daß sie sehr allgemein gehalten ist und nicht in den Kontext des dpa-Artikels passt. Dessen Thema ist der mutmaßliche Messermörder von Brokstedt und die Gruppe migrantischer Einzeltäter im Gewaltbereich, die im Bahnverkehr zuschlägt. Hier ergibt sich jedoch ein anderes, sehr viel beunruhigenderes Bild. So berichtet „Welt Online“ unter der Überschrift „Zahl der Messerangriffe in Zügen und Bahnhöfen hat sich verdoppelt“:

Die Bundespolizei hat im Jahr 2022 insgesamt 398.848 Straftaten in Zügen und auf Bahnhöfen registriert. Das ist eine Steigerung von zwölf Prozent, wie die „Bild am Sonntag“ aus einer Statistik der Bundespolizei zitiert. 14.155 wurden als Körperverletzungen eingeordnet.

Ausschließlich in Zügen kam es demnach zu 82 Messerangriffen, 2021 waren es noch 44. An Bahnhöfen und Haltestellen waren es sogar 254, im Vorjahr noch 122. Daneben gab es 33 Angriffe mit Reizstoffen, was ein Plus von sechs Vorfällen ausmacht.

Die Übergriffe mit „sonstigen gefährlichen Werkzeugen“ wie Baseballschlägern lagen bei 97 Fällen, sieben mehr als im Jahr davor. Angriffe mit Waffengewalt – etwa mit Pistolen – sind dagegen nur leicht angestiegen, von drei auf fünf. Die Anzahl der Sexualstraftaten erhöhte sich wiederum deutlich von 697 auf 857.
Insgesamt wurden fünf Personen im Jahr 2022 getötet – im Jahr 2021 nur zwei. Daneben gab es 6747 Verletzte, im Jahr zuvor waren es nur 4138.

Auffällig dabei ist der Einsatz von Messern. Der Polizeilichen Eingangsstatistik (PES) zufolge wurde 2022 insgesamt gegen 71 Tatverdächtige wegen Gewaltstraftaten mit Messereinsatz in Zügen ermittelt – 36 davon waren „Nicht-Deutsche“. 2021 waren es sechs von 25.

Unter Delikten wie schwerer Körperverletzung, Raub, Mord und Totschlag lag der Anteil von „Nicht-Deutschen“ bei den Tatverdächtigen bei 55,5 Prozent.
Da freut man sich schon auf die nächste Zugfahrt, die nicht nur allein wegen der inzwischen chronischen Unzuverlässigkeit der Deutschen Bahn das Potential zu einem Abenteuer-Trip hat.

Über den Wert von Statistiken kursiert dieser Kalauer: „Lügen, verdammte Lügen und Statistiken“. Allerdings, es ist nicht so, daß die HNA hier direkt zur Lüge gegriffen hätte. Zur Ehrenrettung ihrer Redakteure könnte man annehmen, daß genau diese Statistik aus dem dpa-Artikel auch der der positiven Regulierung ihres eigenen Wohlbefindens dient und nicht allein der volkspädagogischen Dressur der Leser. In diesem Fall dient die Statistik für die HNA-Redaktion eher weniger der Erleuchtung, als vielmehr um sich daran festzuklammern wie ein Betrunkener an der Laterne.

Es kann aber auch genauso gut sein, daß die HNA, wie schon so oft, ihre Leser einfach nur für dumm verkaufen wollte.

Das Klima-Hochamt auf dem Holländischen Platz

Nun ist es endlich soweit: Nach Berlin hat auch in Kassel jene neue Form des Öko-Protestes Einzug gehalten, wonach Klima-Aktivisten sich auf dem Belag von Hauptverkehrsstraßen mit Sekundenkleber festkleben, um ihrem Anliegen durch Blockade des Verkehrs öffentlich Nachdruck zu verschaffen. So geschehen am vergangenen frühen Montagabend auf dem Holländischen Platz, Richtung Kurt-Wolters-Straße.

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Wer die Lokalität kennt, der weiß um die Wirkung. Der Platz ist einer der Hauptverkehrsknotenpunkte der Stadt, dessen Situation temporär durch die Teilsperrung der Hafenstraße verschärft ist. Rund eineinhalb Stunden wurde so der Verkehrsfluß unterbrochen, bis es Polizisten unter Anwendung von Olivenöl endlich gelang, die Aktivisten von der Fahrbahn zu entfernen. Der ohnehin ungesunde urbane Streßlevel dürfte bis dahin bei einigen der betroffenen Autofahrer neue Höhen erreicht haben.

Live dabei waren auch Pressevertreter. So auch von der HNA, die am Folgetag die Aktion gekonnt auf der Titelseite in Szene setzten. Ein Bild zeigt die Aktivisten aus der Rückenperspektive frontal gegen den stillstehenden Verkehr, passenderweise an vorderster Front ein schwarzer SUV, dem wohl wichtigsten Hassobjekt aller Ökobewegten – einfach ausgedrückt, in Anlehnung eines alten Commie-Spruchs: Alle Räder stehen still, wenn dein auf der Fahrbahn klebender Arm es will.

Ausschnitt HNA-Titelseite vom 24.05.2022

Die Anwesenheit der HNA-Journalisten am Ort wird wohl kaum zufällig gewesen sein. Naheliegend dürfte eine zeitnahe Information an die Redaktion vorgelegen haben. Und ebenso wenig wird es dem Zufall geschuldet sein, daß es sich bei dem Berichterstatter um Matthias Lohr handelt, der schon immer dadurch unangenehm aufgefallen ist, daß er seinen Journalistenberuf für seinen Linksaktivismus mißbraucht. Da ist eine solche Aktion ein gefundenes Fressen für ihn. Was wir hier erleben, ist eine perfekt orchestrierte Inszenierung, von der sich jemand wie Lohr nur allzu gerne vereinnahmen läßt. Es stellt sich allerdings die Frage, ob ein solches Zusammenwirken nicht den Tatbestand der Unterstützung zur Nötigung erfüllt.

An seiner Sympathie für die Aktivisten läßt Lohr jedenfalls keinen Zweifel. In der Kolumne „Standpunkt“ auf der Titelseite stellt er die Überlegung an, ob das Anliegen des Klimaschutzes „jede Form zivilen Ungehorsams rechtfertigt“. Seine Argumentation läuft auf ein lauwarm-distanziertes „Nein, aber…“ hinaus, an dessen Ende dann allerdings doch der Freibrief steht, in dem er eine aus seiner privaten Webseite wohlbekannte Phrase ins Spiel wirft: „Es könnte sein, dass uns unsere Enkel fragen, wo wir denn waren, als die Letzte Generation protestierte, um ihnen eine bessere Welt zu hinterlassen.“

Warum nennen sich die Aktivisten „Bündnis Letzte Generation“? Weil sie der tiefen Überzeugung sind, der letzten Generation anzugehören, die noch den angeblich unvermeidlichen Klimakollaps verhindern kann. Es ist ein wahnhafter Anspruch, dem durchaus etwas Narzisstisches anhaftet. Konsequent zu Ende gedacht ist der Übergang vom passiven Widerstand zum Terrorismus nur noch ein gradueller.

Allerdings können die „Ökosavonarolas“ (Heinz Hug) nicht behaupten, daß ihre Proteste keine Wirkung zeigten. Ihnen ist es mit zu verdanken, daß in den vergangenen Jahren eine fahrlässige Energiepolitik betrieben wurde, die nicht nur unsere industrielle Substanz angreift, sondern uns in eine höchst gefährliche Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen gebracht hat.

Halten wir uns an dieser Stelle auch noch folgendes vor Augen: Wir erleben hier mit HNA-Redakteur Matthias Lohr den Vertreter einer Zeitung in Aktion, die gegen alle Vernunft den Bau und Betrieb eines vollkommen überflüssigen Regionalflughafens in Calden promotete. Ein Flughafen, der nur deswegen keine klimaschädliche Wirkung entfalten konnte, weil der Flugbetrieb bislang extrem weit hinter den Erwartungen liegt. Hier werden tagtäglich öffentliche Gelder verbrannt, aber kein Kerosin. Und doch, wenn die Redakteure dieser Zeitung in einem einig sind, dann in der Beschwörung der Gefahren des „menschengemachten Klimawandels“, denn: „Kaum ein Wissenschaftler wird bestreiten, wie ernst die Lage ist.“ – Schizophrenie pur.

Wer alt genug ist, dem weckt die einseitige, geradezu ins Hysterische gesteigerte Fixierung auf das Klimathema Erinnerungen an die 1980er Jahre, die dominiert waren von Waldsterben, Giftstoffen und Atomangst. Auch damals war vor allem in der Jugend die pessimistische Grundstimmung überwiegend, einer Generation mit beschränkter Perspektive anzugehören. Und heute rasen die Angehörigen dieser Generation mit dem SUV durch immer noch nicht gestorbene Wälder und wählen als Ablaß die Grünen, während ihre Kinder freitags für das Klima die Schule schwänzen.

Was würde eigentlich passieren, wenn man den Aktionen dieser Öko-Sektierer in den Mainstreammedien in der gleichen Weise begegnen würde wie den zu „Covidioten“ und „Coronaleugnern“ verunglimpften Kritikern der Corona-Maßnahmen und den Skeptikern der Corona-Impfungen? Wie auch immer, den „wahrhaft Gläubigen“ des Bündnis Letzte Generation sei ein Aphorismus des Historikers Karlheinz Weißmann entgegengehalten: „Die Weltuntergangspropheten sind über ihre eigenen Voraussagen ziemlich alt geworden.“

Unterdessen berichtet die „Junge Freiheit“ auf ihrer Onlineseite, daß ein Manager der britischen Großbank HSBC vom Dienst suspendiert wurde. Sein Vergehen: Er verspottete auf einer Konferenz die Angst vor dem Klimawandel – „es gebe „immer irgendeinen Verrückten“, der das „Ende der Welt“ prophezeie. „Nicht fundierte, laute, parteiliche, eigennützige, apokalyptische Warnungen“ stimmten nie.


Zwei Buchempfehlungen zum Thema, zwar etwas älter, aber inhaltlich nach wie vor gültig:

Heinz Hug
Die Angsttrompeter: Dioxin im Frühstücksei, Pestizide überall und trotzdem leben wir immer länger. Die Wahrheit über die Gefahren aus der Umwelt
Gebundene Ausgabe, 360 Seiten, 2006
Dirk Maxeiner & Michael Miersch
Lexikon der Öko-Irrtümer 
Taschenbuch, 494 Seiten, 2000

Der Herr Carl und die Pressefreiheit

Es konnte nicht ausbleiben, daß die HNA am vergangenen Montag gleich auf ihrer Titelseite den Tag der Pressefreiheit in seiner Bedeutung würdigte. In der Kolumne „Standpunkt“ zog Nachrichtenredakteur Jörg S. Carl den Bogen zu den russischen Verhältnissen, wo die Pressefreiheit nicht gegeben ist: „Das System Putin hat die Medien im Land gleichgeschaltet und der staatlichen Kontrolle unterworfen.“

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HNA-„Standpunkt“ vom 03. Mai 2022

Dem wiederum stellt er die Verhältnisse in Deutschland gegenüber, wo es „glücklicherweise keinen Mut [bedarf]“, um kritische Dinge zu schreiben, denn hier scheinen für die Pressefreiheit ideale Zustände zu herrschen: „Nur sie garantiert einen unabhängigen Journalismus, der die Fakten abbildet und der Wahrhaftigkeit verpflichtet ist. Als elementarer Bestandteil des demokratischen Systems ist die Pressefreiheit nicht hoch genug einzuschätzen, weil sie das Funktionieren eines demokratischen Gemeinwesens erst möglich macht. (…) Sie ist Voraussetzung für die Meinungsbildung, für die Freiheit der kritischen Rede und der kontroversen Debatte. Darum ist sie einer der zentralen Unterschiede zwischen Demokratie und totalitärem Staat.“- Platituden aus der Echokammer eines Mainstreamjournalisten.

Herr Carl schaut gen Osten und übersieht die keineswegs seinem Idealbild entsprechende Realität hierzulande. Gewiß, in Deutschland riskiert kein Journalist Lagerhaft, wenn er die Regierung kritisiert. Doch auch hier gibt es jenseits eines immer enger gewordenen Meinungskorridor toxische Tabus, die laut anzurühren, empfindliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Was würde einem Journalisten eines großen Pressemediums widerfahren, wenn er nur allein in der Redaktionskonferenz einen der folgenden K.O.-Sätze äußert:

  • Der Westen trägt eine Mitverantwortung am Ausbruch des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine
  • Fridays for Future ist eine Polit-Sekte
  • Gender Mainstreaming ist eine Pseudowissenschaft
  • Die Wirksamkeit der staatlichen Corona-Maßnahmen und der Impfungen auf das Pandemiegeschehen werden weit überschätzt
  • Die Gefahren des Klimawandels werden medial überhöht
  • […]

Belassen wir es bei diesen Punkten, denen wir noch viele weitere anhängen könnten. Wie auch immer, es sind Sätze, die ihren Sprecher sehr einsam werden lassen, zum Unberührbaren, zur Unperson, der für eine weitere Beschäftigung in den MSM zu ungenießbar geworden ist. Wer sich derart äußert, riskiert hierzulande zwar keine 15 Jahre Gefängnis, aber ein informelles Berufsverbot – und zwar lebenslänglich! Und auch Herr Carl hat in seinen Texten nie etwas anderes getan, als sich in den besagten Meinungskorridor zu bewegen und sich seiner Verengung geschmeidig anzupassen.

Es würde den Rahmen sprengen, an dieser Stelle die Ursachen der Glaubwürdigkeitskrise des heutigen Journalismus zu erörtern. Tatsache jedoch ist, daß sie besteht, von vielen Medienkonsumente als solche benannt wird („Lügenpresse“) und auch Thema zahlloser Fachartikel und -publikationen ist. Am deutlichen wurde dieser Mißstand zuletzt in der Coronapandemie, als sich die Mainstreammedien zu regierungsfrommen Verlautbarungsorganen erniedrigt haben, die jeden Zweifler zum „Schwurbler“ und „Querdenker“ diffamierten. Die HNA ist dabei keine Ausnahme, die sonst nichts anderes tut, als dem von den großen Pressehäusern vorgegebenen „Trend“ zu folgen, anstatt eigene Akzente zu setzen.

Eigentlich hätte es Herr Carl gar nicht so schwierig, sich Anschauungsmaterial zu besorgen, wie guter, kritischer Journalismus geht. Das nonkonforme und zunehmend populärere Magazin „Tichys Einblick“ wird in der hauseigenen Druckerei der HNA produziert.

Aber dennoch werden wir uns hüten zu behaupten, Herr Carl sei ein branchentypisches Beispiel dafür, daß man auch trotz abgeschlossenem Studium der Politikwissenschaften und mit jahrzehntelanger Berufserfahrung als Lohnschreiber einer Provinz-Journaille nur über eine beschränkte Sicht verfügen kann – auf sich selbst, seinen Beruf und die Welt insgesamt.

Die HNA, Karl Lauterbach und der Flug des Ikarus

Ob dem Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Die Linke) eine Träne der Rührung über die Wange lief, als er am vergangenen Samstag diesen Tweet absetzte: „Einfach mal Danke!“ Anlaß war die Titelseite der Thüringer Allgemeinen (TA), die mit einem großen Schaubild das Stärkeverhältnis der Impfkritiker sowie der die staatlichen Corona-Maßnahmen ablehnend gegenüberstehenden Minderheit, die mit „illegalen“ Spaziergängen ihrem Protest Ausdruck verschafft, gegenüber der überwältigenden Mehrheit, die durch die Impfung ihre angebliche Akzeptanz der Maßnahmen zeige.

Eine steile These, wo bekanntermaßen auch nicht wenige Geimpfte sich unter die Spaziergänger begeben haben. Aber in Corona-Zeiten ist das mit den Zahlen und Daten so eine Sache. Da wurde in einigen Bundesländern bislang bei der Intensivbelegung das beträchtliche Dunkelfeld derer, deren Impfstastus nicht bekannt war, einfach den Ungeimpften zugerechnet. Es dauerte jedenfalls nicht lange, und Ramelows Tweet geriet zum Rohrkrepierer, als nicht wenige geschichtsbewußte Follower Ramelow auf gewisse heikle historische Parallelen hinwiesen, die sie auch noch mit zeitgenössischen Dokumenten belegen konnten. So mit der Schlagzeile aus dem Neuen Deutschland vom März 1988: „Der neue ‚Glasklar‘-Kurs der SED erobert die Herzen der Massen“.

Dieser kuriose Vorgang beleuchtet eindrucksvoll die Wahrnehmung vieler Bürger, wonach es nach Eurorettung und Migrationskrise nun in der Corona-Pandemie zu einem erneuten Einvernehmen zwischen Medien und Regierung gekommen ist. Die „Vierte Gewalt“ hat ihre Kontrollfunktion endgültig aufgegeben und unterstützt unkritisch einen Regierungskurs, der in weiten Teilen der Bevölkerung keine Akzeptanz mehr findet.

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Auch in unmittelbar nächster Nachbarschaft zu Erfurt, in Nordhessen, spielte sich dieser Tage das Drama des unbegabten Journalisten als regierungsamtliches Sprachrohr in ähnlicher Weise ab. Zwei Tage nach besagter Ausgabe der TA demonstriert die Hessische Allgemeine (HNA) auf ihrer Titelseite in der Rubrik „Standpunkt“ den engen Schulterschluß zwischen Regierung und Mainstreammedien-„Intelligenzija“: „Lauterbach im Umfragehoch / King Karl – die neue Art, Politik zu machen“. Florian Hagemann, Leiter der Lokalredaktion Kassel, ergießt sich darin zu einer regelrechten Lobhudelei:

Lauterbach hat es in den ersten Wochen im neuen Amt längst zu King Karl geschafft: Er twittert fleißig, wird mal in die Tagesthemen geschaltet, mal ins Heute-Journal, er schaut mal bei Anne Will vorbei, mal bei Maybrit Illner, heute Abend ist er bei Frank Plasbergs „Hart aber fair“ zu Gast. Lauterbach ist omnipräsent, er ist Karl Überall. (…)

Das ist insofern erstaunlich, als dass es diese Art von Politiker bisher eigentlich gar nicht gab. Lauterbach ist nämlich immer noch in erster Linie Professor, der die Dinge versucht, mit seinem Hintergrund als Wissenschaftler zu erklären – untermauert mit dem Hinweis auf diese und jene Studie. Seine Vergangenheit verleiht dem Mediziner dabei die nötige Glaubwürdigkeit.

Und zum krönenden Abschluß, warum die Beliebtheitswerte der Minister Habeck und Lindner nicht an die von „King Karl“ reichen:

Womöglich aus einem einfachen Grund: Weil Karl Lauterbach sich nicht verstellen muss, um einfach Karl Lauterbach zu sein.

An dieser Stelle hätte ich noch erwartet: „Majestät, Ihr seid die Sonne…“

HNA-Standpunkt vom 10.01.2022

Als erstes kommt beim Lesen der Verdacht auf, mit diesem schleimigen Text will Hagemann sich für den Posten des Bundestagspoeten vulgo „Hofschranze“ (Don Alphonso) bewerben, den die Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckhardt so gerne ausschreiben will.

Aufhänger der Thesen Hagemanns sind die Umfragen zu Lauterbachs Beliebtheit (66 Prozent bei Dimap). Doch mit demoskopischen Beliebtheitswerten ist das so eine Sache. Eine ungeschriebene Grundregel dabei lautet, daß die Beliebtheit eines Politikers mit seiner Medienpräsenz korreliert, egal, was er dabei zu sagen hat. Und wie diese Präsenz nun zustande kommt, wäre eine eigenständige Untersuchung wert, nach welchen Kriterien jemand wie Lauterbach die Dauereinladungen in die Talkshows des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks erhält und welche Fäden im politisch-medialen Komplex hier gezogen werden. Transparent sind diese jedenfalls nicht, allenfalls zu erahnen.

Was Lauterbach für diese Rolle sicherlich prädestiniert, ist sein professoraler Auftritt, in dem er mit sorgenvoller Miene Endzeitstimmung verbreitet. In seinem Buch „Das Ende der Welt. Von Ängsten und Hoffnungen in unsicheren Zeiten“ (2012) ist der Buchautor Christian Schüle auch auf „das Ende der Welt als deutsches Geschäft“ eingegangen. Neben den US-Amerikanern gäbe es kein zweites Volk, das bedingt durch seine wechselvolle Geschichte den Hang zur Apokalypse derart zur Lust verinnerlicht hätte wie das der Deutschen. Deutschland als „das Land der Apokalypse“ – und kein Gesicht passt besser dazu als das von „King Karl“ Lauterbach.

Wenn sich Lauterbachs düstere Voraussagen nicht erfüllen – geschenkt. Daß er den größten Stuß als wichtige Erkenntnis herausposaunt, von der am Folgetag nichts mehr übrig bleibt – vergessen. Die Frage nach seiner tatsächlichen ärztlichen Qualifikation, die angeblich nur im Gesundheitsmanagement liegt – irrelevant. Frei von jedem Selbstzweifel vollzieht er seine Auftritte. Und die Mainstreammedien folgen brav, solange Lauterbach seiner Rolle als zivilreligiöser Prophet, der Apokalypse und Erlösung anbietet, zur Zufriedenheit derer ausfüllt, die ihn nach vorne stellen.

Doch das muß so nicht auf Dauer bleiben. Die Liste der Senkrechtstarter, die gescheitert an sich selbst aus großer Höhe gefallen sind, ist lang. Denkt da noch wer an Matthias Platzeck, der 2005 vom glücklosen Franz Müntefering den Vorsitz der SPD übernahm? Bedacht mit Vorschußlorbeeren von den Medien und ausgestattet mit einem Rekordvotum vom Parteitag warf er ein halbes Jahr später das Handtuch, eine vergessene Fußnote der deutschen Parteiengeschichte als der SPD-Vorsitzende mit der kürzesten Amtszeit in der Bundesrepublik.

Spektakulärer ist da der Fall Karl-Theodor zu Guttenberg, der es schaffte, selbst so skeptische Geister wie den konservativen Publizisten Karlheinz Weissmann zu blenden. Als Verteidigungsminister aus altem Adel schien ihm alles zu gelingen, und selbst in der „heute show“ wurde er vollkommen unironisch „der Mann, der alles kann“ genannt. Bis im Februar 2011 mit der Aufdeckung seiner Dissertation als billiges Plagiat innerhalb von zwei Wochen sein tragikomischer Absturz zum Lügenbaron erfolgte.

Wer hoch steigt, kann tief fallen, sagt der Volksmund. Die griechische Mythologie kennt hierfür die Figur des Ikarus, der mit selbstgemachten Flügeln der Sonne unvorsichtig zu nahe kommt, so daß das zusammenhaltende Wachs zerfloß und Ikarus zu Tode stürzte.

Sieg und Niederlage, Schmerz und Vergnügen, sie liegen nahe beieinander. Und Politik ist umso mehr ein Drahtseilakt, je höher man steigt. Das gilt auch für jemanden wie Karl Lauterbach, bei dem schon erste Anzeichen erkennbar sind, nicht begriffen zu haben, daß ein Ministeramt andere Anforderungen stellt als ein Abgeordnetenmandat. Schneller als gedacht könnte es sich erweisen, daß hinter der Warnung seiner Ex-Frau Angela Spelsberg, bekannt als ausgezeichnete Epidemiologin und Wissenschaftlerin, Lauterbach werde einem Ministeramt nicht gerecht, mehr steckt als nur ein Rosenkrieg.

Der tiefe Sturz eines Politikers ist nicht nur eine Blamage für den Betreffenden; sie ist es ebenso für die Medien, die sich devot anbiederten und ihn in unkritischer Weise nach oben schrieben. Journalisten sind daher auch in diesem Fall gut beraten, dem Grundsatz zu folgen, nahe bei der Sache zu sein, und dabei doch eine innerliche, kritische Distanz zu den Akteuren zu bewahren. Wenn „King Karl“, warum auch immer, sich als Luftikus entpuppt und von seinem Thron stürzt, was wird Hagemann dann im Rückblick zu seinem bereits aus heutiger Sicht Fremdscham erzeugendes Elaborat sagen…?

 

Der Klassiker zum Thema:

Udo Ulfkotte
So lügen Journalisten
Der Kampf um Quoten und Auflagen (2001)
Nur noch antiquarisch erhältlich

Ein Tränenglas für Matthias Lohr

Ich kann nicht oft behaupten, daß die Lektüre der HNA (Hessisch/Niedersächsische Allgemeine) Erheiterung in mir auslöst. Die nordhessische Tageszeitung ist sonst so bieder und fest eingebunden in dem Milieu, das man so schön Mainstreammedien nennt. Doch selbst unter solchen Bedingungen hat es Lokalredakteur Matthias Lohr am gestrigen Montag mit einem besonders weinerlichen Kommentar über die Situation in seinem Beruf geschafft, ein Lachen in mir auszulösen.

„Standpunkt“/ HNA vom 4.10.2021

Anlaß war die Verleihung des „Glas der Vernunft“, des Kasseler Bürgerpreises, an die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ am vergangenen Tag der deutschen Einheit. Lohr nutzte den Festakt als Aufhänger, um in der Rubrik „Standpunkt“ zu sinnieren: „Journalisten haben es schwer wie selten“. Was folgte war ein Klagelied darüber, welch schweren Stand Journalisten wie er haben, denn sie werden „als Teil der angeblichen Lügenpresse verunglimpft“ und würden von nicht wenigen in Deutschland für Verbrecher gehalten. Ja, sogar körperliche Angriffe auf Demonstrationen müßten sie einstecken, vor allem von Querdenkern.

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Beaker als das Alter Ego des getroffenen Haltungsjournalisten?

Doch zum Rohrkrepierer geriet Lohrs rhetorischer Kniff, Extrembeispiele wie „obskure Youtuber und den vom Kreml finanzierten Sender RT“ als bedenkliche Alternativen hinzustellen, pars pro toto für alle alternativen Medien, um sich selbst in ein umso heller erscheinendes Licht zu rücken. Umgekehrt ist es jedoch ein Armutszeugnis für ihn und seine Kollegen, wenn ausgerechnet solche Angebote mehr Zuspruch und Vertrauen erhalten als die Mainstreammedien.

Und zum Schluß gibt Lohr eine entschiedene Ansage, die man durchaus doppeldeutig verstehen kann: „Niemand schreibt uns vor, was wir zu schreiben haben.“ – Doppeldeutig in dem Sinne, daß er den Vorwurf der Kritiker, man unterwerfe sich höheren Vorgaben oder gar Merkel persönlich, ebenso zurückweist wie auch jeden Druck von der Straße.

Auf dem ersten Blick mag es wie eine Opfer-Inszenierung wirken, was Lohr hier aufführt. Doch tatsächlich wirft er sich in die heroische Pose des wackeren Journalisten, des weißen Ritters für die Pressefreiheit: „Seht her, wie ich mich in den Kampf stürze gegen die Gegner der Pressefreiheit, die Feinde der Demokratie.“ – So viel narzisstische Selbstoffenbarung war selten.

Tatsächlich hat Lohr die Kritik weiter Teile der Bevölkerung über die „angebliche“ Lügen- bzw. Lückenpresse nicht verstanden. Spätestens seit dem Ausbruch der Krim-Krise hat sich bei vielen das Gefühl durchgesetzt, von unseren maßgeblichen Medien mit einseitigen und auch falschen Narrativen informiert zu werden. Die sogenannte Flüchtlingskrise, in der der staatliche Kontrollverlust zu einer „kulturellen Bereicherung“ unseres Landes umgedeutet wurde, trieb diese Gefühlslage auf die Spitze. Ob Migration, Eurorettung, Klimapolitik – es herrscht in weiten Teilen der Medien ein enger Meinungskorridor vor, der die Dinge ausschließlich in einem linksliberalen Sinne darstellt und interpretiert.

Es ist für viele Menschen naheliegend, diese Einseitigkeit auf höhere Vorgaben zurückzuführen, auf dunkle Mächte im Hintergrund oder einfach nur die konzentrierte Macht der Medienkonzerne. Die Dinge liegen komplizierter. Es würde zu weit führen, die Prozesse der vergangenen Jahre in der Medienbranche auszuführen, wie sie der Medienwissenschaftler Uwe Krüger in „Mainstream. Warum wir den Medien nicht mehr trauen“ darlegt hat, die zu der Herausbildung der Mainstreammedien und ihrer inhaltlichen Engführung geführt haben. Doch in einem muß man Lohr recht geben: Der von vielen vermutete „Druck von oben“ existiert so nicht.

Der Kulturkritiker Oswald Spengler (1880 – 1936) formulierte ein bis heute gültiges Bonmot:

Der Laie mag sich zufriedengeben, daß die Presse verfassungsgemäß „frei“ ist. Der Kenner fragt: „Auf wen hört die Presse?“

Die Antwort darauf ist einfach, es ist der grün angehauchte Zeitgeist, der vorgibt, was als „sozial erwünscht“ zu gelten hat. In diesem Zeitgeist kann man auch Lohr unschwer verorten. Wer das Wirken dieses Mannes über die Jahre verfolgt hat, erkennt ein Muster, dessen Stoßrichtung immer der nicht-linke Andersdenke ist – nicht allein, aber vor allem gegen die AfD, Querdenker und andere engagierte Kritiker der staatlichen Corona-Maßnahmen, denen ausschließlich alleine „Haß und Hetze“ attribuiert wird, so als wäre man selbst vollkommen frei davon.

Doch wie viel Fairness, wie viel Respekt, wie viel Ausgewogenheit, wie viel Unvoreingenommenheit kann man von einem Journalisten erwarten, der in seinem privaten Blog „Matti Lohr – Grüner wird‘s nicht“ solche Sätze schreibt:

Was werden wir in 25 Jahren unseren Kindern antworten, wenn sie uns fragen, warum wir am 24. September 2017 nicht die Grünen gewählt haben? […] In 20 Jahren, wenn nicht nur die Malediven, sondern vielleicht auch Teile der Niederlande und von Niedersachsen im Meer versunken sein werden, der Klimawandel viele Regionen der Erde unbewohnbar gemacht und die größten Flüchtlingswellen der Geschichte verursacht haben wird, werden wir Sätze zu hören bekommen wie: „Aber die Grünen hatten doch immer recht. Wieso habt ihr nicht endlich einmal auf sie gehört?“ Wir werden dann etwas stammeln und zugeben müssen, dass die Grünen tatsächlich meist richtig gelegen hatten (…).

Screenshot, abgerufen am 4.10.2021

Wer würde so jemanden etwas anderes zutrauen als die Rolle eines linksgrünen Aktivisten im Gewand des Journalisten? Lohr vermag offenbar nicht zu begreifen, daß er in dieser Rolle mitbeteiligt ist an der Polarisierung unserer Gesellschaft. Er provoziert und beschwert sich über die Reaktion – die übliche Chuzpe von Haltungsjournalisten gegenüber ihren widerspenstigen Lesern. Stattdessen schirmt er sich in seiner Blase ab und immunisiert sich gegen die konsequenterweise harsch ausfallende Kritik, indem er sie als „Angriffe gegen die Pressefreiheit“ diffamiert.

Aber die Zeiten einer Presse als „vierte Macht im Staat“, als Kontrollinstanz des politischen Systems sind schon lange vorbei. Den Urgesteinen Bob Woodward, Carl Bernstein und Seymour Hersch folgte die moralische Korrumpierung der Medien durch gesinnungsethische Interessen. Heute prägen die Relotiusse das öffentliche Bild von den Medien, die kleinen wie die großen. Dazu braucht es keine erfundenen Reportagen; es reichen die manipulativen Tricks, die Bilder erzeugen, die selbst den kleinen Mann die Medien Fürchten lehren. Wen wundert es da noch, wenn Meinungsumfragen belegen, daß mehr als die Hälfte der Bundesbürger nicht mehr an eine freie Meinungsäußerung glaubt?

Aber Lohr kann auch anders. In seiner Berichterstattung über die berüchtigte, aus Kassel stammende Lina E., der derzeit wegen Gewaltaktionen gegen die rechtsextreme Szene vor dem Oberlandesgericht Dresden der Prozeß gemacht wird, vermag er das Bild von der mutmaßlichen Linksextremistin auffallend weich zu zeichnen. So schreibt die Preußische Allgemeine Zeitung:

Viel Verständnis demonstrieren des Weiteren einige Journalisten wie Christian Fuchs vom Wochenblatt „Die Zeit“ und Matthias Lohr von der Kasseler „Hessisch/Niedersächsischen Allgemeinen“ („HNA“). In deren Beiträgen wird Lina E. wohlwollend porträtiert und suggeriert, die sächsische Justiz stempele die „unscheinbare“ junge Frau, welche sich „während des Studiums mit Rechtsextremismus auseinandersetzte“, zu Unrecht als Linksextremistin ab. (PAZ, Ausgabe vom 17. Sep 2021)

Hier werden die verrutschten Maßstäbe eines Journalisten offenbar, der wie ein Korken auf dem trüben Wasser schwimmt und dabei noch versucht, große Wellen zu schlagen. So sieht das „schwere Leben“ des HNA-Redakteurs Matthias Lohr aus. Jedes alternative Medium von Bedeutung hat gegen größere Widerstände anzukämpfen, härtere Auseinandersetzungen auszufechten als er es je nötig hatte.

Uwe Krüger
Mainstream. Warum wir den Medien nicht mehr trauen
174 Seiten, 14,95 Euro