Porträt der irischen Schauspielerin Olwen Fouéré
„They see you“, der gerade angelaufene Kinofilm des amerikanischen Filmemachers M. Night Shyamalan ist zurecht wegen seiner Mittelmäßigkeit kritisiert worden. Doch in der Besetzung in dem Plot um eine vierköpfige Gruppe, die in einem öden Betonklotz inmitten eines verwunschenen Waldes in Irland gefangen ist, ragt eine Darstellerin besonders heraus. Olwen Fouéré, die darin die gestrenge Madeline mimt, fällt schon durch ihre optische Erscheinung auf. Zwar nicht von besonders großer Statur, richten sich doch schon automatisch durch ihre wallenden weißen Haare die Blicke auf die raumfüllende Präsenz ihrer alterslosen und würdevolle Erscheinung.
Der Gothic-Horrorfilm ist Fouérés erster bedeutender Auftritt in einer A-Produktion. Zuvor trat sie in Nebenrollen in Kino- und Fernsehfilmen wie „The Northman“ (2022) oder „The Tourist“ (2024) auf. Besonders bemerkenswert war 2022 ihre Rolle als Texas Ranger Sally Hardesty, die in dem Horrorfilm „Texas Chainsaw Massacre“ dem eine Kettensäge schwingenden Killer Leatherface entgegentritt. Wenn ihre Rollen auf der Leinwand eines gemeinsam haben, so sind es Charaktere, denen kaum ein Lächeln zu entlocken ist.
Im vergangenen März 70 Jahre alt geworden, kann Fouéré als die bedeutendste Schauspielerin Irlands auf eine weit zurückreichende internationale Theaterlaufbahn zurückblicken, darunter so renommierte Häuser wie das Abbey Theater und das Gate Theatre in Dublin, das Londoner Royal National Theatre oder das Lincoln Center in New York. Zusätzlich übersetzte sie Stücke aus dem französischen. In ihrer Vita finden sich bedeutende Preise für ihre Leistungen und Erfolge im Theater. Erst die Covid-Pandemie, in der die Theaterbühnen dem Lockdown zum Opfer fielen, brachte ihrer Filmkarriere einen zusätzlichen Schub.
1954 in Irland geboren und aufgewachsen, liegen Fouérés eigentliche Wurzeln nicht dort. Ihr Vater, der Anwalt und Journalist Yann Fouéré, war ein prominenter bretonischer Nationalist. Nach dem Zweiten Weltkrieg mit der Anklage der Kollaboration mit den deutschen Besatzern konfrontiert, wählte er das Exil im abgelegenen westirischen Connemara an der Atlantikküste, wo er eine Familie gründete und 2011 verstarb. Die Anklage gegen ihn war von geringer Substanz. Der Vorwurf der Kollaboration war seinerzeit ein effektives Instrument der französischen Zentralregierung, um den vor dem Krieg starken bretonischen Nationalismus nachhaltig zu schwächen.
Obwohl Connemara und die Bretagne durchaus gewisse Gemeinsamkeiten verbinden, fiel Yann Fouérés Tochter Olwen das Einleben nicht leicht. Ihre ersten 20 Lebensjahre verbrachte sie damit, sich in Irland zu assimilieren. Dieses Außenseiter-Dasein befähigte sie zur Schauspielkunst, wie sie der Irish Times berichtete: „Wenn du deinen Platz am Rand findest, dann ist das tatsächlich ein guter Ort zum Sein. Ich kann Einblicke nehmen und sehen, was passiert… Als ein Außenseiter, entdeckst du oder akzeptierst du, wie Identität kein fixes Ding ist. Es bewegt sich alle Zeit, es ist etwas Fließendes. Es ist sehr befreiend.“
Derzeit feiert Fouéré große Erfolge mit der Irland und Australien umspannenden Aufführung des Theaterstücks „Der Präsident“ des österreichischen Dramatikers Thomas Bernhard (1931 – 1989). Sie spielt darin die exzentrische First Lady des Diktators eines namenlosen Landes irgendwo in Europa, dargestellt von Hugo Weaving, besser bekannt als Agent Smith aus „Matrix“ und Elrond aus „Herr der Ringe“. Ihre bizarre, dekadente Existenz ist durch einen Volksaufstand auf Messers Schneide. Ein australischer Kritiker bejubelte die Produktion als „erste Klasse mit der Besetzung und einer kreativen Mischung aus australischem und irischem Talent.“
Die Herausforderungen des Schauspiels auf der Bühne für den Darsteller verglich Fouéré mit „einer Art von kleinem Tod“, wie bei einem Sprung von der Klippe: „Du hoffst auf Gott, daß genug Wasser am Boden der Klippe ist, worin du schwimmen kannst.“ Die dazu erforderliche mentale und körperliche Sportlichkeit erfordere einen unterschiedlichen Muskel für die Darstellung sowohl auf der Bühne als auch im Fernsehen und im Film.
Wo auch immer die bretonische Außenseiterin auf Irlands Bühnen, die alte weise Frau des irischen Theaters aufzutauchen gedenkt, wir werden noch einiges von ihr zu sehen bekommen. Auch mit über 70 Jahren ist in der Karriere der Olwen Fouéré noch viel Potential vorhanden.