Der Kaiser, der Rom schützende Grenzen setzte

Das historische Porträt: Kaiser Hadrian (76 – 138 n.Chr.)

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort: In der Nachfolge römischer Kaiser hat es sich für die Prätendenten bisweilen als vorteilhaft erwiesen, zum Zeitpunkt des Ablebens des Amtsträgers in dessen Nähe zu sein. Als Kaiser Trajan auf dem Rückweg von einem Krieg gegen die persischen Parther nach schwerer Krankheit in Kilikien am 8. August 117 n. Chr. an der heutigen türkischen Südküste verstarb, erklärte dessen Gattin Plotina, der Verstorbene habe kurz zuvor noch auf dem Totenbett seinen Adoptivsohn Publius Aelius Hadrianus zum Nachfolger erklärt. Die syrischen Legionen, denen er als Befehlshaber vorstand, gaben den nötigen Nachdruck. Sicherheitshalber ließ Hadrian unmittelbar zur Absicherung seines Machtantritts einige Senatoren hinrichten, was ihn die Feindschaft dieser Kreise eintrug. Dennoch konnte er in den folgenden rund 20 Jahren seiner Herrschaft dem römischen Imperium relativ ungestört seinen prägenden Stempel aufdrücken und zu seinem Tod am 10. Juli 138 n. Chr. zu einem seiner bedeutendsten Kaiser aufsteigen.

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Geboren am 24. Januar 76 n. Chr. im spanischen Italica als Abkömmling römischer Kolonisten erfuhr er die frühzeitige Förderung durch seinen Vormund Trajan, einem Cousin seines Vaters. Erfahrungen auf zivilem und militärischem Gebiet sammelte er durch die übliche Ämterlaufbahn, während die Heirat mit einer Großnichte Trajans ihn enger an das Kaiserhaus band.

Nach geglückter Machtübernahme vollzog er aus seiner Erkenntnis, daß das Imperium in seiner bis dahin größten Ausdehnung die Grenzen seines Wachstums erreicht hat, eine historische Wende: „Hadrian gab Trajans Eroberungen im Osten – Armenien, Mesopotamien und Assyrien – wieder auf und konzentrierte sich darauf, das Reich zu einer lebensfähigen, gesicherten und blühenden Einheit zu machen.“ (Anthony Birley)

Die Phase militärischer Expansion war damit für Rom abgeschlossen. Konsolidierung war angesagt. Zumal es sich zeigte, daß es auch noch innerhalb des Reiches schwelende Zonen gab, die sich dem Zugriff der römischen Autorität zu entziehen suchten. So wuchs sich der zum Jüdischen Krieg ausgewachsene Bar-Kochba-Aufstand von 132 – 136 n. Chr. zu einem Konflikt aus, den der Kaiser nur unter größten Mühen zu seinen Gunsten beenden konnte. Ihm vorausgegangen war die verhängnisvolle Entscheidung Hadrians, auf den Trümmern des jüdischen Tempels in Jerusalem ausgerechnet ein Zeus-Heiligtum zu errichten; für die glaubensstarken Juden ein Frevel ohnegleichen.

Hadrian zeichnete sich auch durch eine Vorliebe für griechische Kultur und Philosophie aus, die er nach außen hin durch seinen Philosophenbart verdeutlichte. Anderen Quellen zufolge sollte der Bart, den er als erster Kaiser überhaupt trug, seine Gesichtsnarben verdecken. Seine Vorliebe für gutaussehende, junge Knaben fügte sich ebenfalls gut in die hellenistischen Traditionen ein. Schwer traf ihn der Verlust seines Favoriten Antinoos, der 130 n. Chr. im Nil ertrank.

In der Abfolge der Adoptivkaiser stand er an dritter Stelle; eine Einrichtung, die weniger eine Abkehr vom dynastischen Prinzip war als dem Fehlen kaiserlichen Nachwuchses. Er stand damit zusammen mit Trajan am Beginn einer bis zum Tod des Marc Aurel 180 n. Chr. andauernden Phase des Römischen Reiches, die der britische Historiker Edward Gibbon „ein goldenes Zeitalter“ nannte. Golden insofern, weil der Weisheit und zur Mäßigung verpflichtete Herrscher nach dem Wohl des Staates trachteten und sich so von der Tyrannis von Scheusalen wie Caligula, Nero oder Commodus abhoben.

Das Reich bereiste er wie vor ihm kein anderer Kaiser. Trotz des Friedens legte Hadrian großen Wert auf Drill und Disziplin der römischen Truppen. Da er alle Strapazen mit ihnen teilte, war ihm die Sympathie der Legionäre sicher. Seine Inspektionsreisen führten ihn nach Nordafrika, Griechenland, Ägypten, Germanien bis hinauf nach Britannien.

Auch als Baumeister machte er sich einen Namen, dessen Erbe bis in unsere Zeit überdauert. Die Ruinen seiner Residenz in der Nähe von Rom zeugen noch heute von üppiger Prachtentfaltung. Sein Mausoleum ging als Engelsburg zur schützenden Fluchtburg der Päpste über. Doch sein bedeutendstes Bauwerk ist zweifellos der Hadrianswall.

Im Zuge seiner Inspektionsreise nach Britannien zur Grenze des Reiches nach Kaledonien, dem heutigen Schottland, gab der Kaiser eine mehrere Meter hohe steinerne Mauer- oder Wallanlage in Auftrag – „um die Barbaren von den Römern zu trennen“ -, deren Bau von den dort stationierten Legionären 122 n. Chr. begonnen – kostengünstig, da ohnehin vom Staat besoldet – und nach zehn Jahren beendet wurde. Der Wall umfasst von der Nordsee an der Mündung des Tyne bis zur Irischen See am Solway Firth eine Länge von 118 Kilometern und sollte dem Dauerproblem der Übergriffe durch die Pikten ein Ende bereiten, „ein beeindruckendes Hindernis für jede unerlaubte Bewegung“ (Adrian Goldsworthy).

Die Anlage schirmte die Nordgrenze in Britannien für die nächsten 300 Jahre effektiv ab, bis die Römer von der Insel abzogen. Seine Funktion erfuhr von 142 n. Chr. an für 20 Jahre eine Unterbrechung, als Hadrians Nachfolger Antonius Pius die Grenze um rund 160 Kilometer nach Norden an die engste Stelle der britischen Insel zum Antoniuswall verschob. Der Hadrianswall bildete das zentrale Element eines engmaschigen Netzwerkes aus Kastellen und Lagern, von denen Vindolanda in der Nähe von Hexham das heute am besten erhaltene ist. In deren Umfeld entstanden zivile Siedlungen zur Unterstützung der Versorgung. Gesicherte Übergänge gaben den Römern die Möglichkeit operativer Eingriffe im Feindesland, das sie weit überblicken konnten.

Für die Archäologie stellt der Wall einen Glücksfall ohnegleichen dar. Bis heute fördern die Grabungskampagnen neue Funde ans Tageslicht. Zu den bedeutendsten zählen die Vindolanda-Tafeln, Schriftstücke auf Wachstafeln, die einen einzigartigen Einblick in den Alltag an der Grenze liefern.

Doch auch für den Tourismus auf der britischen Insel ist der Hadrianswall, der seit 1987 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, von höchstem Wert, der jährlich Tausende von Besuchern anzieht. In diesem Jahr feiert der Wall den Jahrestag seines 1900jährigen Bestehens. Ein Anlaß, der von den zuständigen öffentlichen Institutionen mit einem umfangreichen Programm gewürdigt wird.

In den heutigen Zeiten unkontrollierter Massenmigration wird zuweilen die Behauptung erhoben, Grenzen wären ohne Bedeutung und könnten auch nicht geschützt werden. Gewiss sind Grenzen nicht unüberwindbar. Doch die Römer haben mit dem Hadrianswall unter Beweis gestellt, daß Grenzen durchaus erfolgreich gesichert werden können – vorausgesetzt dahinter steht eine Macht und ein Wille, dies überhaupt zu wollen.

Home – Hadrian’s Wall 1900 (hadrianswallcountry.co.uk)

Adrian Goldsworthy
Hadrian’s Wall
192 Seiten, 2018, engl.