An seinem 85. Geburtstag am kommenden Montag kann der Zeitungsverleger Dirk Ippen auf eine bemerkenswerte Laufbahn zurückblicken. Mit noch nicht einmal 30 Jahren zuerst als Teilhaber des Westfälischen Anzeigers in Hamm, baute er nach amerikanischem Vorbild mit Zukäufen weiterer Regionaltitel eine Zeitungsgruppe auf, die heute zu den fünf größten in Deutschland zählt.
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Sein Konzept bestand in der technischen Modernisierung der zugehörigen Druckereien und der kompromisslosen Optimierung der Betriebsabläufe. Hinzu kam der Ausbau der lokalen Berichterstattung. Die Gründung von kostenlosen Anzeigenblättern rundeten den Zugang zum Werbemarkt ab. Damit konnte er sich selbst gegen die Angriffe des mächtigen WAZ-Konzerns behaupten. Dabei sollte es nicht bleiben. 1982 erwarb er mit dem Münchener Merkur und der Boulevardzeitung tz zwei bedeutende Titel, seit 2018 auch noch die Frankfurter Rundschau.
Nicht allein eigenes Geschick half beim Aufstieg. Begünstigte anfangs das Kartellrecht ihn als kleinen Mittelständler, so erleichterte später dessen Lockerung das weitere Wachstum bis zur Monopolstellung in ganzen Regionen. Einen Widerspruch zu seinen marktwirtschaftlichen Überzeugungen sieht er hierin nicht.
Wo er sich einkaufte, traf Ippen mit seiner Strategie nicht immer auf Gegenliebe bei der Belegschaft, auch wenn er das angeblich gute Einvernehmen mit den Betriebsräten betont. Nicht allein Tarifflucht und die Härte der Sanierung trafen, auch haderten die Redaktionen mit der Schwerpunktsetzung auf die Lokalberichterstattung, wo sich manch einer „von der Weltpolitik zu den Kaninchenzüchtern“ degradiert sah.
Den gebürtigen Brandenburger ficht das nicht an. Stattdessen sieht sich der promovierte Jurist als ehrlichen Kaufmann, der es vom Mittelständler zum Konzernlenker gebracht hat. Es ist eine Karriere aus den goldenen Wachstumszeiten der alten Bundesrepublik. Die Zukunft seiner Gruppe in der digitalen Medienwelt sieht er bei seinem Neffen Daniel Schöningh und Sohn Jan in besten Händen.
Aus dem Redaktionsgeschehen hält sich Ippen bewußt heraus. Die auffällige Ausnahme von der Regel war 2021 seine Intervention gegenüber seinem Investigativteam in der Affäre um den damaligen Bild-Chefredakteur Julian Reichelt, da er seine Geschäftsinteressen mit dem Springer-Konzern gefährdet sah. Springer läßt einen erheblichen Teil seiner Auflage der Bild bei Ippen drucken.
Zu Wort meldet er sich lediglich alle zwei Wochen in den Wochenendausgaben seiner Blätter mit seiner Kolumne „Wie ich es sehe“, oftmals seicht im Stil, aber stets mit liberalem Anspruch.
Zur Politik hielt Ippen betont Distanz. Nichts übrig hat er für Parteibuch-Journalismus. Redakteuren würde er am Liebsten die Mitgliedschaft in Parteien verbieten: „Als Mitglied einer Partei muss man mit sehr vielen Kompromissen leben.“
Gleichwohl hat er es zugelassen, daß auch in seinen Redaktionen die Orientierung am linksgrünen Zeitgeist um sich griff. Gerne weist man dort der alternativen Konkurrenz von rechts die Rolle von Desinformanten zu, die „die Axt an Grundsätze friedlicher Konflikte“ legten.
Erstaunlich genug, daß Ippen trotzdem in seiner hochmodernen Kasseler Druckerei auch Titel aus diesem ungeliebten Meinungsspektrum akzeptiert. Es spricht für Ippen, daß er seinen Geschäftssinn über die politische Ausrichtung seiner eigenen Zeitungen stellt.
Dirk Ippen Mein Leben mit Zeitungen 256 Seiten, 2016 Societas Verlag 20,00 Euro
Aus der Preußische Allgemeine Zeitung Nr. 37 · 12. September 2025
FEMINISMUS-DEBATTE
Verbaler Frauen-Ringkampf
Die Deutsch-Argentinierin, die sich 1975 mit Alice Schwarzer angelegt hat – Die Feminismus-Kritikerin Esther Vilar wird 90 Jahre alt
Es war einer der Höhepunkte gesellschaftspolitischer Fernsehdebatten der 1970er Jahre: das im Februar 1975 vom WDR ausgestrahlte Streitgespräch „Alice contra Esther“. Auf der einen Seite stand die Journalistin Alice Schwarzer, die gerade zur Ikone der deutschen Frauenbewegung aufstieg. Ihr gegenüber saß die Schriftstellerin und Ärztin Esther Vilar. Es war ein Kammerspiel, zu dem der treffenden Titel „Die Schöne und das Biest“ hätte passen können.
Vier Jahre zuvor hatte Vilar weltweit für Furore gesorgt mit ihrer Streitschrift „Der dressierte Mann“. Die in drastischer Sprache verpackte Abrechnung mit dem Feminismus besagte, dass es nicht der Mann sei, der die Frau unterdrücke. Vielmehr seien es Frauen eines „geschickt getarnten Matriarchats“, die den stärkeren Sexualtrieb des Mannes ausnutzten, um ihn auszubeuten: „Der Mann sucht immer jemand oder etwas, dem er sich versklaven kann, denn nur als Sklave fühlt er sich geborgen – und seine Wahl fällt dabei meist auf die Frau.“
Die Frauen hingegen könnten wählen zwischen der Lebensform eines Mannes und der eines „dummen, parasitären Luxusgeschöpfes“; eine Wahl, die der Mann nicht habe, vor allem wenn er im „Gefängnis“ aus Familie und Beruf eingesperrt sei.
Weitere Zuspitzungen dieser Art zogen sich durch die Seiten, wie die, dass „der weibliche Intellekt und das weibliche Gefühlsleben auf einem primitiven Niveau stehen geblieben“ seien.
Das Buch wäre kaum eine Provokation gewesen, wäre der Verfasser ein Mann, den man bequem in die Chauvinisten-Ecke geschoben hätte. Doch aus der Feder einer gebildeten jungen Frau entfaltete es zwangsläufig eine explosive Kraft. In den Augen der Feministinnen wurde Vilar zur „Verräterin am eigenen Geschlecht“.
In dem TV-Duell schenkten sich beide Frauen nach anfänglichem, freundlichem Smalltalk nichts. Schwarzer, der man die innerliche Anspannung anmerkte, biss sich in ihre ruhig wirkende Gegnerin regelrecht fest, ohne einen entscheidenden Treffer zu landen. Vilars Spitze gegen Schwarzers Idol Simone de Beauvoir – „die größte Imitatorin, die es jemals gegeben hat“ – fachte ihre Angriffslust erkennbar an. Ob spontan aus Hilflosigkeit oder als taktisch gezielt inszenierter Schlag, holte Schwarzer gegen Ende der rund 40 Minuten ausgerechnet gegen die Tochter deutsch-jüdischer Emigranten mit der Faschismus-Keule aus: „Sie sind nicht nur Sexistin, Sie sind auch Faschistin!“ Vilar konterte elegant, dass die Faschisten auf die gleiche Weise „extreme Formulierungen verwendeten, um dem anderen ein Etikett anzuhängen“. Damals wurde dieses hochtoxische Instrument erstmalig in der deutschen Debattenkultur prominent eingesetzt, und obwohl es in diesem Fall keine Wirkung erzielte, machte dieses Beispiel schnell Schule.
Für Vilar blieb es nicht allein bei rhetorischen Angriffen. Vier junge Frauen verprügelten sie. In der Münchener U-Bahn verpasste ihr ein Unbekannter eine Ohrfeige, der seiner Ehefrau damit einen Gefallen tun wollte. Doch am meisten setzten ihr die Nachstellungen der Boulevardmedien zu. 1978 verließ sie „nach vielen Monaten sadistischen Psychoterrors“ Deutschland in Richtung Schweiz.
Das Fernsehduell – mit boshaftem Hintersinn zur Weiberfastnacht ausgestrahlt – ging ohne einen klaren Sieger aus. Und doch entwickelten sich von da beider Karrieren in unterschiedliche Richtungen. Schwarzers Weg führte weiter nach oben, und bald beeinflusste sie von dort als „Berufsfeministin“ die Richtung des Mainstreams mit.
Sie kann sich heute bestätigt fühlen
Vilar hingegen geriet über die Jahre in Vergessenheit. Zwar folgten noch weitere Essays, Romane und Theaterstücke, doch die öffentliche Aufmerksamkeit blieb weitgehend aus. Ihren letzten bedeutenden Fernsehauftritt hatte sie 2011 bei „Maischberger“ anlässlich des Papst-Besuches in Deutschland, wo sie als Religionskritikerin, bekanntermaßen mit Sitz im Stiftungsrat der atheistischen Giordano-Bruno-Stiftung, eingeladen war.
Inzwischen kann sich Vilar in ihrer Feminismus-Kritik, in der sie ausschließlich soziologisch argumentierte, bereits in wesentlichen Aspekten von der naturwissenschaftlichen Forschung der jüngsten Zeit zunehmend bestätigt sehen. Die auf der Basis der Evolutionsbiologie gewonnenen Erkenntnisse des renommierten US-Psychologen Roy F. Baumeister über die systematische Ausbeutung der Männer und den Mangel der Frauen an beruflichem Ehrgeiz („Wozu sind Männer eigentlich überhaupt noch gut?“, 2012) sind nur ein Beispiel.
Jedoch beherrscht der abstrakt ideologisch determinierte Feminismus, völlig unbeeindruckt von jenen neuen Erkenntnissen in den Humanwissenschaften, nach wie vor den öffentlichen Diskurs. Vilar ist somit weitgehend aus der öffentlichen Wahrnehmung verbannt. Das weltweite Meinungsmonopol der Frauenbewegung hat sich erfolgreich gegen sie behauptet. Dennoch zeigte sich Vilar Jahre nach dem Erfolg ihres „in großer Wut geschriebenen Pamphlets“ froh, dass sie den Text zu den „Dressierten Mann“ trotz aller Widerstände verfasst habe.
1935 in Argentinien als Tochter deutscher Auswanderer geboren, kam Vilar 1960 als DAAD-Stipendiatin zum Studium nach Deutschland, wo sie in zweiter Ehe den Schriftsteller Klaus Wagn heirate. Am 16. September wird die Publizistin 90 Jahre alt.
Vor 50 Jahren veröffentlichten Pink Floyd ihr Meisterwerk „Wish You Were Here“
Im Geschäft der kreativen Künste birgt großer Erfolg stets auch große Gefahren. Einmal den Gipfel erreicht, stellt sich die Frage, was danach kommt. Reichen die kreativen Ideen, um die erreichte Position zu halten oder droht die Abwendung des Publikums und damit verbunden der Sturz aus großer Höhe in die Leere der persönlichen Bedeutungslosigkeit? 1973 katapultierte das Album „The Dark Side of the Moon“ Pink Floyd auf den Gipfel des Olymps. Mit bislang über 50 Millionen Einheiten steht es an den vordersten Plätzen der meistverkauften Alben. Als führender Vertreter des Progressive Rock, der Elemente des Blues, Jazz und der Klassik aufnahm, sollten sie die prägende Kraft der Rockmusik der 1970er Jahre werden.
Als sich die Band Anfang 1975 in den berühmten Londoner Abbey Road Studios, wo auch die Beatles ihre Platten aufnahmen, einfand zu den Aufnahmen des Nachfolgealbums, taten sie das aus Gewohnheit. Doch die Arbeiten der kommenden Monate sollten sich chaotisch gestalten: Die internen Reibungsverluste im Kreativprozeß offenbarten erste Risse im Zusammengehörigkeitsgefüge der Bandmitglieder. Das Ergebnis kam am 15. September 1975 – vor genau 50 Jahren – unter dem Titel „Wish You Were Here“ auf den Markt.
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Schon die ersten Klänge des Eröffnungstitels versprachen ein herausragendes Niveau, das das Album bis zum Ende durchhielt. Das Intro des rund 25 Minuten langen „Shine On You Crazy Diamond“ – der in zwei Teilen Anfang und Ende des Albums einrahmte – wurde zum berühmtesten der Rockmusik. Die sphärischen Klänge aus dem Synthesizer von Keyboarder Richard Wright, dem ein filigranes Solo des Gitarristen David Gilmour folgte, versetzten den Zuhörer auf eine psychedelische Astralreise.
YT-Clip „Shine On You Crazy Diamond“ / PINK FLOYD
Ihm folgte das mit bedrohlich wirkenden Maschinengeräuschen unterlegte und futuristisch anmutende „Welcome to the Machine“ mit seinen riffbetonten Passagen. Dieser Titel wie auch der folgende „Have a Cigar“ galten als Anklage der Band gegen die Musikindustrie, „diesem Monster, das uns zerreibt, zerkaut und ausspuckt“ (Roger Waters). Den Gesangspart von „Have a Cigar“ übernahm als Gastmusiker ausnahmsweise der Bluesmusiker Roy Harper, weil weder Gilmour noch Bassist Roger Waters stimmlich überzeugen konnten. Harper kam mit seiner Stimme tief genug, um den Zorn über das Musikgeschäft, für das der Liedtext steht, überzeugend rüberzubringen. Durch den gefühlsbetonten Gesang von Gilmour und dominiert von seiner Akustikgitarre steht die an einen Countrysong erinnernde Ballade „Wish You Were Here“ für den Höhepunkt des Albums. Der populäre Titel fehlte seitdem auf keiner Setlist eines Livekonzerts von Pink Floyd.
Das Konzept von „Wish You Were Here“ war als Hommage an den abwesenden Syd Barrett (1946 – 2006) gedacht. Barrett war Mitbegründer und kreativer Kopf der seit 1965 bestehenden Band „der verrückte Diamant“. Durch die negativen Begleiterscheinungen seines Drogenkonsums wurde er 1968 aus der Band geworfen und durch Gilmour ersetzt. Kurz vor Fertigstellung des Albums kam es in den Abbey Road Studios zu einem zufälligen und merkwürdigen Zusammentreffen der Band mit Barrett, der zuerst von niemanden erkannt wurde. Zu sehr hatte der Drogenmißbrauch seine einst stattliche Erscheinung zu einer schmerbauchigen, glatzköpfigen Gestalt in Mitleidenschaft gezogen. Auch geistig war der beginnende Verfall unverkennbar. Kurz danach folgte sein endgültiger Rückzug aus dem Musikgeschäft und der Öffentlichkeit, vor dem ihn seine Familie abschirmte.
Lange hieß es, es die Härte des Musikgeschäfts sei ursächlich für Barrets Wahnsinn gewesen. Doch Schlagzeuger Nick Mason räumte später ein: „Es war weniger die Plattenindustrie, die Druck auf ihn ausübte, als wir.“
Dem Albumkonzept entsprach auch die aufwendige Gestaltung des doppelten Plattencovers durch das Graphikstudio Hypgnosis. Die Platte war eingeschweißt in eine schwarze Plastikfolie, auf dem ein Sticker mit zwei Roboterhänden prangte, ein Symbol für den Geschäftsabschluß im Musikbusiness. Das derart darunter verborgene, eigentliche Cover – ohne Hinweis auf Albumtitel und Band – nahm das Motivs des Handschlags auf, durch zwei Männern im Anzug, die sich die Hand reichen, einer davon sich am Handschlag verbrennend. Die Fotografie war keine Montage, sondern wurde durch einen tatsächlich brennenden Stuntman auf dem Gelände der Warner Studios in Hollywood aufgenommen. Beide Bilder wurden, so wie auch das Prisma-Cover von „Dark Side of the Moon“ ikonisch.
Publikum und Kritik nahmen „Wish You Were Here“ begeistert auf. Auch dieses Album entwickelte sich mit 20 Millionen Einheiten zum Megaseller. Das kunstvolle und ausgereifte Meisterwerk steht als Meilenstein sowohl für den kreativen Höhepunkt der Band wie auch des Artrock. Für Gilmour „ist es in mancher Beziehung das vollendeste Album“. Dem sollte aber der Beginn eines Niedergangs durch interne Konflikte folgen. Zunehmend dominierte Waters, der die übrigen Bandmitglieder regelrecht zu Session-Musikern degradierte. Immerhin erschien 1979 mit „The Wall“ ein weiteres Erfolgsepos. Doch danach war die Band in ihrer bisherigen Form nicht mehr zu retten.
1985 stieg Waters aus. Es folgte ein erbitterter Rechtsstreit über die Namensrechte zwischen ihm und dem Rest der auf Gilmour und Mason geschrumpften Band. Pink Floyd konnten bis zu ihrer offiziellen Auflösung 2015 weitere Erfolgsalben liefern, allerdings ohne die kreative Genialität früherer Tage, und traten in opulenten Stadionkonzerten auf: Willkommen in der gut geölten Mega-Maschine Pink Floyd. Hier mit seinen Solowerken nicht mithalten zu können und nur noch vom Material aus alten Pink Floyd-Zeiten zu zehren, hatte Waters schlichtweg nur noch „angekotzt“.
Der letzte gemeinsame Auftritt der Originalbesetzung anläßlich des „Live-8“-Konzertes 2008 bedeutete das vorläufige Ende des kalten Krieges. Dem folgte 2011 ein letzter gemeinsamen Auftritt von Waters mit Gilmour und Mason in der Londoner O2 Arena. Diese Entspannungsphase endete spätestens 2023 mit der öffentlichkeitswirksamen Distanzierung von Gilmour und seiner Ehefrau Polly Samson von Waters auf Twitter, heute „X“, dem sie vor allem seine antisemitischen Ausfälle gegen Israel vorhielten.
Wo Syd Barrett durch den Drogensumpf der Realität entglitt, ist es bei Waters die manische Fixierung auf den Antikapitalismus, der geistigen Geschwister des Antisemitismus. Nichts offenbart das besser, als das mit „Animals“ (1976) auf den Konzerten eingeführte, überdimensionale Ballonschwein, Symbol für die Heuchelei der Elite, welches am Ende vom Publikum zerstört wird. Waters erweiterte für seine Auftritte diese Botschaft mit einem Tabubruch, indem er es neben dem Davidstern auch mit Dollarzeichen, Shell-Symbol und McDonald’s-Schriftzug und sogar noch mit Hammer und Sichel garnierte.
Der inzwischen 79jährige Gilmour, der zuletzt mit „Luck and Strange“ ein vielbeachtetes Solowerk vorlegte, hat im vorigen Jahr mit einer erstaunlichen Einigung mit dem Sony Konzern das Kapitel Pink Floyd für sich beerdigt. Für schlappe 400 Millionen Dollar hat das Unternehmen von den Bandmitgliedern und den Nachlaßverwaltern des 2008 verstorbenen Wright die Musikrechte sowie die Namens- und Bildrechte an Pink Floyd gekauft.
„Grab that cash with both hands and make a stash“ – Schnapp dir das Geld mit beiden Händen und erschaffe einen Vorrat, so hieß es noch höhnisch in „Money“ auf „Dark Side oft the Moon“. Das ambivalente Verhältnis zwischen Kapitalismuskritik einerseits und dem einträglichen Einvernehmen mit der Musikbranche andererseits ist der Band immer wieder vorgehalten worden, auch gerade angesichts von „Wish You Were Here“. Hat sich an Pink Floyd ein altes Vorurteil bestätigt, wonach es nichts Schlimmeres gebe als einen Linken, der an Geld geleckt hat?
Pink Floyd galten in ihrer Hochphase in den 1970er Jahren nicht nur als musikalische Revolutionäre, sondern auch als Rebellen gegen das Establishment. Trefflich gibt der deutsche Journalist Alexander Gorkow in seinem an diese Zeit angelehnten, autobiographischen Kindheitsroman „Und die Kinder hören Pink Floyd“ (2021) dieses Image wieder, indem er die jugendlich-naive Sichtweise seiner über die millionenschwere Band ergriffenen Schwester wiedergibt: „Pink Floyd sind Sozialisten. (…) Wesentlich geht es ihnen in ihrer Kunst einerseits um den Kampf gegen das Establishment, andererseits um die Befreiung des Einzelnen aus den Klauen des Systems.“
Dabei haben die Mitglieder von Pink Floyd nur die gleiche Entwicklung durchlaufen wie parallel viele andere aus der Gegenkultur der 1960er Jahre. Das „System“, gegen das sie standen, hat sie aufgesogen und korrumpiert, gut an ihnen verdient, wie auch sie dabei gut verdienten und ihre Plattenfirma ihnen zudem alle Freiheiten ließ.
Wie sehr diese sozialkritische Haltung zur Attitüde verkommen ist, hat unfreiwillig niemand besser bestätigt als David Gilmour in einem entlarvenden Interview 1995 im SPIEGEL. Gilmour beharrte darauf, trotz seines Reichtums nicht zum Establishment zu gehören. Die Interviewer entgegneten bissig: „Sie sitzen in einem exklusiven Londoner Club, trinken Cappuccino für 15 Mark pro Tasse und sagen, Sie gehören nicht zum Establishment? Das ist echter Luxus.“
Gilmour fiel dazu nicht mehr ein als ein lakonisches „Allerdings“.
Eine kürzere Version des Textes erschien in der Ausgabe 40/2025 der JUNGEN FREIHEIT:
Das Münchener Literaturhaus würdigt in einer Ausstellung die Publizistin Susan Sontag
An dem übergroßen Schwarzweiß-Porträt im Eingangsbereich des Foyers im Literaturhaus München kann niemand vorbeigehen, ohne länger davor zu verweilen. Der Betrachter wird unmittelbar in den Bann gezogen durch den klaren und festen Blick einer mittelalten Frau, gekleidet in eine modische schwarze Lederjacke. Was sich hier anbietet, ist mehr Erscheinung als Schönheit, ein Charakterkopf.
Das Porträt zeigt Susan Sontag in einer berühmten Aufnahme des Starfotografen Richard Avedon aus dem Jahre 1978. Es ist Teil der Ende Mai eröffneten Ausstellung „Everything Matters“. Rund 20 Jahre nach ihrem Tod 2004 entschloß sich das Literaturhaus, die amerikanische Schriftstellerin und Essayistin, die als die erste intellektuelle Stil-Ikone des 20. Jahrhunderts Geist und Glamour miteinander verband, wieder in Erinnerung zu rufen.
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Nicht allein dieses Porträt ist es, das dem Betrachter sofort ins Auge fällt. Weitere ausdrucksstarke Aufnahmen zeigen Sontag in verschiedenen Lebensphasen. So auch jene auf dem Ausstellungsplakat, wo sie als junge Frau sich lässig auf einen Stapel Papiere stützt, hinter sich den Blick auf die verschwommene Silhouette von New York. In späteren Jahren kam ihre auffallende Frisur mit der weißen Strähne zu den Markenzeichen der altersweisen Frau hinzu. Vielleicht war es genau diese optische Präsenz, die ihre Prominenz bestimmte, mehr als ihre Texte.
Sontag wußte sich auf Fotos zu inszenieren, vor den besten Fotografen, darunter auch Annie Leibovitz, die 1988 ihre Lebenspartnerin wurde. Wie kaum eine andere setzte sie sich kritisch mit der Macht der Bilder und ihrer suggestiven Wirkung auf den Betrachter auseinander. Ihre Essays „Über Fotografie“ und „Das Leiden anderer betrachten“ sind Standardwerke bis heute. Und doch – oder gerade deswegen – läßt die Ausstellung durch Sontags eigene Aufzeichnungen wissen, mochte sie es nicht fotografiert zu werden.
1933 in New York in eine jüdische Familie hineingeboren wächst Sontag in Arizona auf, wo die Familie im heißen Wüstenklima die Linderung ihres Lungenleidens sucht. Die soziale Isolierung ließ die Heranwachsende Zuflucht in der Bibliothek suchen. Symbolische Bücherstapel stehen für die Unmenge der Klassiker, die Sontag dabei verschlingt. Literatur ist ihr Lebenselixier: „Ich habe dieses Etwas – meinen Verstand. Er wächst, ist unersättlich.“
Vor allem Thomas Mann mit „Der Zauberberg“ fördert ihre Inspiration. Die Ausstellung zeigt das Original ihres Textentwurfes über einen für sie enttäuschenden Besuch bei Mann in dessen Villa in Los Angeles, den sie mit knapp 17 Jahren unternimmt.
Weder das Dasein als Ehefrau noch als Mutter füllt sie aus. Nach gescheiterter Ehe und Aufenthalten in Europa wird Sontag 1960 Dozentin an der Columbia Universität in New York, das zu ihrem Lebensmittelpunkt wird. Ab hier setzt ihr Aufstieg zur Star-Intellektuellen ein.
Eine Vielzahl von Originalausgaben zeigen populäre Publikationen wie Harper‘s Magazine oder Vanity Fair, in denen Sontag ihre Texte publiziert. Sie nimmt darin eine vermittelnde Rolle zwischen der europäischen und der amerikanischen Kultur ein und befürwortet die Auflösung der Trennung von Hoch- und Populärkultur. 1963 erscheint ihr erster Roman, „Der Wohltäter“, ebenfalls im Originaldruck vorgestellt.
Der Vietnamkrieg bewirkt eine weitere Politisierung. Videoinstallationen zeigen Sontags Aufenthalte im kommunistischen Nordvietnam, von wo aus sie mit der amerikanischen Außenpolitik scharf abrechnet. Es wird nicht der einzige Aufenthalt an einem „Hot Spot“ bleiben. 1993, mitten im Bosnienkrieg, zieht sie in die belagerte Frontstadt Sarajewo, wo sie Samuel Becketts Theaterstück „Warten auf Godot“ inszeniert.
Bei ihren Landsleuten, vor allem den New Yorkern, macht sie sich schließlich mit ihrem unbequemen Blick auf die islamistischen Terroranschläge vom 11. September 2001 unbeliebt, teilweise gar verhasst. In „Feige waren die Mörder nicht“, so der Titel ihres als Faksimile der FAZ-Übersetzung gezeigten Essays will sie nicht in den regressiven Patriotismus einstimmen, der anschließend in die Kriege im Mittleren Osten führte. Die USA reagierten so, wie von Sontag befürchtet.
Das Desaster im Irak sollte Sontags Kritik am amerikanischen Interventionismus bestätigen. Die privaten Schnappschüsse sadistischer Exzesse amerikanischer Soldaten an irakischen Gefangenen im Foltergefängnis Abu Ghraib trafen genau ihr Lebensthema.
Während Sontag und die Amerikaner einander fremder werden, nimmt sie hingegen in Europa an Beliebtheit zu. 2003 erhält sie in Frankfurt den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, zu dessen Festakt der US-Botschafter demonstrativ fernbleibt.
Geradezu berührend ist die Videoinstallation über ihre letzte Lebensstation. Nach 1975 und 1998 verliert sie 2004 die dritte und letzte Runde im Kampf gegen den Krebs, der zum Ausgangspunkt für ihr vielleicht berühmtestes Essay „Krankheit als Metapher“ (1978) wurde. Als Sterbeort sucht sich die Herzens-Europäerin ein Domizil in Paris aus, wo sie auch auf dem Friedhof Montparnasse ihre letzte Ruhestätte fand. In der Rückblende kommen frühere Weggefährten zu Wort. „Ja, sie war eitel“, so die Pianistin Mitsuko Uchida, wehmütig der Publizist Darryl Pickney: „Sie war voller Leben.“
In ihren Exponaten konnte die Ausstellung aus dem von Sontags Sohn David Grief – selbst ein erfolgreicher Publizist – verwalteten Nachlaß aus dem Vollen schöpfen: Von den Tagebuchaufzeichnungen und Manuskriptseiten bis zu den kitschigen Nippes, den Sontag in ihrem Sammeleifer von ihren vielen Reisen mitbrachte. Selbst die Lederjacke aus dem eingangs beschriebenen Porträt hat sich erhalten.
Die Leerstelle, die Sontag mit ihrem Tod hinterließ, konnte bislang von keiner anderen Persönlichkeit ausgefüllt werden. In dieser aufgeheizten Zeit hoffen nicht wenige, daß sie heute eine von linker Identitätspolitik abgesetzte Position eingenommen hätte. In ihrer Rede zur Eröffnung der Ausstellung hob die Literaturwissenschaftlerin Anna-Lisa Dieter heraus, daß nach ihrer Einschätzung in Sontags Denken Identität keine Rolle gespielt habe. „„Sontag zufolge sind identitätsbezogene Zuschreibungen ‚Stereotype‘, die einschränken, ja ‚ghettoisieren‘.“
Unter den Tisch fällt dabei das wohl bekannteste Sontag-Zitat: „Die weiße Rasse ist das Krebsgeschwür der Menschheitsgeschichte“, 1967 hinterlegt in der Partisan Review, dem Zentralorgan der New Yorker Intelligenzia. Wer sich so äußert, dem darf zu Recht nachgesagt werden, zum Umfeld woker Ideologie zu zählen.
Die Ausstellung „Everything Matters“ wird noch bis zum 30.11.2025 im Literaturhaus München, Salvatorplatz 1, gezeigt, Montag bis Sonntag 11 – 18 Uhr, Donnerstag 11 – 20 Uhr. Sommerpause bis 31.8. Der Ausstellungskatalog mit 124 Seiten kostet vor Ort 10 Euro.
Jahrelang prägte ihr Gesicht die ARD-Berichterstattung aus der Sowjetunion. Doch ihre harsche Kritik an der „Einkreisungspolitik“ Russlands durch die NATO-Osterweiterung, an der sie auch nach Beginn des Ukraine-Kriegs festhielt, machte sie für den Mainstream zur Unperson. Still ist es damit um Gabriele Krone Schmalz (75) nicht geworden. Das in der deutschen Bevölkerung weit verbreitete Unbehagen über die von der Politik ausgerufene Zeitenwende, die anhaltenden Fragen über die Kriegsursachen sowie die ausufernde Kriegsunterstützung für die Ukraine machen sie nach wie vor zu einer populären Vortragsrednerin und Buchautorin.
Umso erstaunlicher, daß mit dem BR-Kameramann Ralf Eger ausgerechnet aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk sich jemand an einem wohlwollenden Filmporträt der Frau mit der markanten Kurzhaarfrisur wagte. „Gabriele Krone-Schmalz – Verstehen“, so der Titel seines Films, entstand als Egers Privat-Projekt.
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Eger begleitet Krone-Schmalz durch den Bayrischen Wald, ihrer Herkunftsregion, läßt ihre langjährigen Freunde von dort schwärmend über sie zu Wort kommen – die authentische Sympathieträgerin Krone-Schmalz.
Doch den stärksten Eindruck hinterlassen die Szenen, die sie vor begeistertem Publikum in vollbesetzten Sälen zeigen – vor Durchschnittmenschen, die ihr Vertrauen in die als einseitig wahrgenommenen Mainstreammedien verloren haben, und deren Abkoppelung von den üblichen Informationskanälen möglicherweise kaum zu revidieren ist. „Der Putin, den wir heute haben, hat der Westen zum großen Teil mitgeschaffen“, das ist so einer ihrer Sätze, die auf dankbare Resonanz treffen. Auch so kann Zeitenwende aussehen.
Mit eingearbeitet sind private Filmaufnahmen aus Krone-Schmalzs Zeit als engagierte Reporterin in der Sowjetunion, die sie dem Zuschauer als Russlandkennerin vermitteln sollen. Und den Soundtrack liefern Audioaufnahmen aus ihrer Jugend, in der sie sich als Liedermacherin versuchte und deren Texte in das aufwendig gestaltete Booklet aufgenommen wurden.
Egers professionell gemachter Dokumentarfilm, der vor allem die menschliche Seite von Krone-Schmalz in den Vordergrund stellt, macht deutlich: Auch wenn man ihr nicht in allem folgen mag, tut man sich keinen Gefallen damit, jemanden wie sie mittels Diffamierung aus dem Diskurs heraus zu drängen.
Gabriele Krone-Schmalz – Verstehen Buch mit Dokumentarfilm auf Blu-ray (109 Minuten) 2025
Ein Philosoph an der Front Am Ende eines Goldenen Zeitalters: In Trier erinnert eine Landesausstellung an den römischen Kaiser Marc Aurel
Daniel Körtel
Gerade einmal handtellergroß ist das mit einer verwitterten Schrift beschriebene rechteckige Holztäfelchen, das derzeit in einer Vitrine des Rheinischen Landesmuseums Trier ausgestellt ist. Das unscheinbare Artefakt aus Roșia Montană im rumänischen Siebenbürgen fixiert einen genau datierten Arbeitsvertrag, der im Jahr 164 n. Chr. zwischen einem Arbeiter und dem Betreiber einer Goldmine geschlossen wurde. Neben dem darin festgesetzten Lohn muten die Regelungen für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, wie auch bei wetterbedingtem Arbeitsausfall, heute besonders modern an und zeugen von einem hohen institutionellen Niveau.
Dieser Arbeitsvertrag fällt in das Goldene Zeitalter des Römischen Reiches. Es war auch das der Adoptivkaiser, die sich sowohl durch Tugend als auch Mäßigung auszeichneten und so das Reich in eine außerordentliche Phase des Friedens und Wohlstands führten. Diese Phase auf dem Höhepunkt der Pax Romana begann 96 n. Chr. mit dem Regierungsantritt von Nerva und endete 180 n. Chr. mit dem Tod des als Philosophenkaiser populär gewordenen Marcus Aurelius Antoninus. Ihm widmet das Rheinische Landesmuseum Trier eine Sonderausstellung mit dem Titel „Marc Aurel – Kaiser, Feldherr, Philosoph“. Gezeigt werden Exponate aus 17 Ländern und Leihgaben aus Häusern wie dem Louvre, den Vatikanischen Museen oder dem British Museum.
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Seine Hingabe zur stoischen Philosophie, deren Grundsätze er in den bis heute vielgelesenen „Selbstbetrachtungen“ hinterlegte, seine gewissenhafte Regierungsführung, der hohe Anspruch an sich selbst – all das hat den 121 n. Chr. als Abkömmling der hispanischen Oberschicht geborenen Marc Aurel zu einer Art „Sehnsuchtskaiser“ nachfolgender Generationen werden lassen.
Als Feldherr war der Kaiser fast permanent im Krieg
Und wie sehr diese Eigenschaften auch von den heutigen Zeitgenossen ersehnt oder vielleicht eher in ihrer politischen Elite vermißt werden, macht der interaktive Teil zu Beginn des den Lebensweg des Kaisers folgenden Ausstellungsparcours deutlich. Hier kann der Besucher mittels blauer Schaumstoffbällchen sein Votum in gläserne Urnen abgeben, ob er den Prinzipien der Stoa mit ihrer Betonung der Gelassenheit, der Hinnahme des Unabänderlichen und der Hingabe zu Vernunft, Pflichten und Tugenden den Vorzug gibt oder eher nicht. Dem Hedonismus der medialen Spaßgesellschaft zum Trotz liegen diese Ideale noch immer hoch im Kurs!
Doch die Zeit des Kaisers Marc Aurel war keine einfache. Eine Zeitenwende kündigte sich an und mit ihr ein neues Aufrüstungsprogramm. Kaum war er im Amt, stand im Orient der Krieg mit den Parthern ins Haus. Auch an der Donaugrenze wurde es unruhig, mit Einbrüchen der germanischen Markomannen bis tief nach Norditalien. Und mit dem Krieg im Orient kam zudem die Antoninische Pest in das Römische Reich.
Hierzu wurden die Ergebnisse eines Kooperationsprojektes vorgestellt, das über die Altersbestimmung von Holzfunden den pestbedingten Rückgang der Bautätigkeit abzuschätzen versuchte und so mittelbar das Ausmaß der Krankheit. Nach den bisherigen Erkenntnissen kann bei der vermutlich mit den Pocken identischen Pest nicht von einer Pandemie ausgegangen werden. Eher gab es wohl Cluster regionaler Krankheitsausbrüche, die die Resilienzkräfte des Reiches nicht überforderten. Damit fällt die Antoninische Pest als eine der Krisenursachen für den Untergang des Römischen Reiches aus.
Aufgrund ihrer Dauer nehmen die Kriegszüge Marc Aurels einen großen Teil der Ausstellung ein, in deren Bereich der Besucher unter den martialischen Klängen von Marschschritten der Legionäre eingeführt wird: „Rom rüstet sich“. Als Feldherr war der Kaiser fast permanent an der Front. Offen bleibt die in der Ausstellung aufgeworfene Frage: „Verteidigung oder Expansion?“ Plante Marc Aurel in Abkehr vom Konsolidierungskurs seiner Vorgänger die Ausdehnung des Reiches nach Norden?
Zahlreiche Funde, unter anderem aus den anhaltenden Grabungen beim tschechischen Mušov, vermitteln einen Eindruck von der Ausrüstung des römischen Militärs. Auffallend sind die Glasfunde aus den Gräbern germanischer Fürsten, offenbar Geschenke römischer Herkunft. Besonders ragt der bronzene Drachenkopf einer römischen Standarte hervor.
Die Reliefdarstellungen der Marc-Aurel-Säule in Rom mit ihren heute verstörend wirkenden Brutalitäten, wie dem Köpfen von Gefangenen und der Versklavung ihrer Angehörigen im Angesicht des Kaisers, nimmt die Ausstellung zum Anlaß, dem heutigen idealisierten Bild des Philosophenkaisers bewußt den brutalen Feldherren gegenüberzustellen.
Aurels „Selbstbetrachtungen“ dienen bis heute der Inspiration
Diese Perspektive der Ausstellungsmacher mag zum Nachdenken anregen, ist jedoch eine sehr ahistorische, da sie in unzulässiger Weise moderne Maßstäbe der Kriegsführung auf einen antiken Kontext projiziert. „Vae victis – Wehe den Besiegten“ – was heute als Kriegsverbrechen gewertet wird, war damals die gängige Normalität, die die Römer selbst oft genug leidvoll erfuhren.
Doch der Nachruhm des Kaisers gründet nicht auf seiner Rolle als Feldherr. Das entscheidende Erbe Marc Aurels liegt in den in seinem letzten Lebensjahrzehnt entstandenen „Selbstbetrachtungen“, jener Sammlung von Aphorismen, in denen sich sein Verständnis stoischer Philosophie widerspiegelt. Dabei geht es um eine ganzheitliche Welterfassung, um Akzeptanz schicksalhafter Konstellationen, ein Streben nach innerer Ruhe und Gelassenheit. Über Generationen hinweg wurden sie seit ihrer Wiederentdeckung in der Frühen Neuzeit zur Inspiration der Nachwelt, darunter Persönlichkeiten wie der Preußenkönig Friedrich der Große oder Bundeskanzler Helmut Schmidt. Die Ausstellungsmacher tragen dem Rechnung, indem sie eine Auswahl daraus als „zeitloses und sehr persönliches Zeugnis eines römischen Kaisers“ vorstellen.
Ein gescheiterter Usurpationsversuch veranlaßte den Kaiser 175 zur Regelung seiner Nachfolge. Erstmals seit fast einem Jahrhundert stand mit seinem einzigen überlebenden Sohn Commodus ein dynastischer Nachfolger zur Verfügung. Commodus jedoch war in jeder Hinsicht das Gegenteil seines Vaters und trat in die Tradition von übel beleumundeten Tyrannen wie Caligula und Domitian, bevor er wie diese einem Mordkomplott zum Opfer fiel. Das Goldene Zeitalter Roms jedoch, so schließt die Ausstellung mit einem Zitat des Geschichtsschreibers Cassius Dio, verkam zu einem „von Eisen und Rost“. Doch weit über die Dauer der Existenz des Reiches hinaus hallt das Charisma eines seiner bedeutendsten Kaiser, der vielleicht nicht den Lauf der Geschichte veränderte, aber in seiner stoischen Lebenseinstellung zum Vorbild vieler anderer wurde.
Die Ausstellung „Marc Aurel – Kaiser, Feldherr, Philosoph“ ist bis zum 23. November 2025 im Rheinischen Landesmuseum Trier, Weimarer Allee 1, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Der Katalog mit 400 Seiten mit Fachbeiträgen und zahlreichen farbigen Abbildungen kostet im Museum 29,90 Euro. Parallel dazu findet im Stadtmuseum Simeonstift, Simeonstraße 60, die Ausstellung „Marc Aurel. Was ist gute Herrschaft?“ statt, wo anhand einer Vielzahl von künstlerischen Objekten und Gemälden dem über die letzten Jahrhunderte veränderten Verständnis nachgegangen wird, was gute Herrschaft ausmacht.
Wenn ich mich recht entsinne, dann war es ein Artikel aus der extrem linken „taz“, der mich Anfang 2004 erstmals auf Ines Geipel aufmerksam machte. Darin ging es um eine Lesung in der Erfurter Kaufmannskirche, der für die Publizistin zum Gang in die Löwenhöhle wurde. Das Thema, das sie in ihrem Buch „Für heute reicht’s“ vertrat, konnte auf kaum stärker vermintem Terrain, vor kaum einem unwilligeren Publikum vorgestellt werden: Zwei Jahre zuvor, im April 2002, hinterließ Robert Steinhäuser mit seinem Amoklauf am Erfurter Gutenberg-Gymnasium nicht nur 16 Tote, sondern auch eine lange in der Stadtgesellschaft schwärende Wunde. Geipel veröffentlichte nach langen Recherchen vor Ort eine literarische Reportage – „Für heute reicht’s“ – über diesen Amoklauf. Nicht allein Fehler im Polizeieinsatz prangerte sie darin an; auch die aus ihrer Sicht unzureichende Aufarbeitung des Massakers. Doch dabei beließ sie es nicht. Ihre Motivsuche beim Täter verknüpfte sie mit einer tiefenpsychologischen Analyse der Thüringer zur Zeit der Wende und der Umbrüche, dem verlogenen Buchenwald-Mythos aus DDR-Zeiten und der Kindereuthanasie in Jena im Dritten Reich – allesamt unzureichend aufgearbeitet. Ich fand Geipels Einsatz, den in Erfurt offenbar kaum jemand gewünscht hat, mutig. Allgemein beliebt machte sie sich damit nicht. Bei dieser bundesweit beachteten Lesung schlug ihr aus dem Publikum die kalte Ablehnung entgegen: „Sie haben mehr kaputt gemacht, als es gut war.“
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Ines Geipel Für heute reicht’s 256 Seiten, geb. Ausgabe 2004 nur noch antiquarisch erhältlich
Dabei war Geipel schon vorher bekannt und unbequem. Die frühere DDR-Leistungssportlerin trieb die Doping-Aufarbeitung im DDR-Sport mit voran, von der sie selbst betroffen war. Ihre Sportlaufbahn fand ein jähes Ende, nachdem ihre Fluchtabsichten verraten wurden. Geipels offene Kritik am Tian’anmen-Massaker während ihres Studiums brachte Universität und Partei gegen sie auf. Den Folgen wich sie mit der geglückten Flucht 1989 über Ungarn in die Bundesrepublik aus. Dort nahm sie das Studium der Philosophie und Soziologie auf. Nach verschiedenen Stellen hat sie seit 2001 eine Professur an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch inne.
Als Publizistin blieb Geipel nach „Für heute reicht’s“ weiterhin dem Thema Amok und damit anknüpfend der Überforderung der Gesellschaft verbunden. So folgte 2010 „Seelenriss – Depression und Leistungsdruck“ und 2012 „Der Amok-Komplex“. Dabei öffnete sich für die Autorin mit den gesellschaftlichen Veränderungen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR ein neues Betätigungsfeld.
Ines Geipel Seelenriss Depression und Leistungsdruck 238 Seiten, geb. Ausgabe 2010 19,- Euro
Pegida und der Aufstieg der AfD machte Geipel zur gefragten Gesprächspartnerin, um vor allem dem Westen Deutschlands zu erklären, warum der neue Osten der Bundesrepublik sich fast in Gänze den gesellschaftlichen Denkmustern der alten Bundesrepublik verweigert. Um deutliche und scharfe Worte ist sie dabei nicht verlegen. Das mußte sogar der Leipziger Germanist Dirk Oschmann erfahren, dem sie für seine Wutschrift „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung: Wie die Konstruktion des Ostens unsere Gesellschaft spaltet“ attestiert: „Eine rüde Vollklatsche, ein angesagter Rollenausfall. Hyperpolemisch, grob verfälschend, ressentimentgeladen.“
Ihre Kernthese aus „Umkämpfte Zone“ (2019) besagt, daß der AfD-Erfolg in der alten DDR Folge der dort nicht aufgearbeiteten Vergangenheit zweier Diktaturen – der braunen und der roten – sei. Die frühere DDR als deutscher Sonderfall ausgebliebener Vergangenheitsbewältigung? Die These weist allein schon dadurch Schwächen auf, daß Mitteldeutschland sich im Gleichschritt des politischen Trends nach rechts in jenem Teil Europas bewegt, wo eben keine vergleichbaren Diktaturerfahrungen gemacht wurden. Wenn man von „Sonderfall“ sprechen will, dann doch eher in Bezug auf Westdeutschland.
Ines Geipel Umkämpfte Zone Mein Bruder, der Osten und der Hass 288 Seiten, Taschenbuch 2020 14,- Euro
Geipel ist sich dem durchaus bewußt. Auf einer Lesung in Kassel im vergangenen Mai gab sie ihrer Hoffnung fast schon pathetisch Ausdruck, der Westen Deutschland möge noch lange das „Unnormal“ bleiben. Überhaupt scheint sie im Westen auf ein dankbareres Publikum zu treffen als im Osten. Es muß den „Seelenriss“ der Wessis über den undankbaren Osten geradezu streicheln, wenn Geipel ihm bescheinigt, nach all den Mitteltransfers wäre jetzt auch mal der Westen dran. Der Osten, so vermittelt sie, scheint das Glück, das die Erfolgsgeschichte der Wiedervereinigung mit sich brachte, nicht zu schätzen und den Umgang mit der gewonnenen Freiheit (noch) nicht gelernt zu haben.
Zuweilen wirkt ihre Argumentation krude und überspannt. Mit verschwörungstheoretischem Geraune sprach sie zuletzt von einem „dichten Agentennetz“, mit dem sich der Kreml im Osten festgesetzt hätte und verwebt dabei geschickt das BSW mit hinein, ohne explizit zu sagen, es sei aus Russland gesteuert: „Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat von Anfang an eins zu eins das Kreml-Narrativ geliefert. Es geht um Desinformation, Destabilisierung, Revanche.“
In einem Interview mit der WELT 2017 fasste sie politische Ost-Persönlichkeiten wie die damalige AfD-Vorsitzende Frauke Petry, den Pegida-Mitbegründer Lutz Bachmann, die NSU-Terroristen Beate Zschäpe und Uwe Mundlos und den über unsägliche Chats aus der AfD geworfenen Rostocker Holger Arppe – allesamt geboren in den frühen 1970er Jahren – in eine „Generation Amok“ zusammen. Das Thema „Amok“ scheint Geipel nicht loszulassen. Ist es eine verstellende Brille, durch die sie die Wirklichkeit betrachtet?
„Wir haben die Dimension des gesellschaftlichen Umbruchs, das Wasteland Ost und seine irre Gewaltlust unterschätzt“, konstatiert Geipel am Ende des Interviews, so als ob die Gewalt, die uns heute hauptsächlich begegnet, die Messermorde, die schrecklichen Attentate wie Solingen und Magdeburg ausgerechnet von frustrierten Ostdeutschen ausgegangen wären. Bis 2015 hatten die Ostdeutschen, die bislang keine Erfahrungen mit Massenmigration aus kulturfernstehenden Ländern gemacht haben, ausgiebig Gelegenheit diesbezügliches Anschauungsmaterial im Westen selbst zu sammeln – Kulturschock inklusive -, wo schon in den 1980er Jahren die Integrationsprobleme auf eine tickende Zeitbombe wiesen. Und man muß schon ziemlich verblendet sein, um sich solche Verhältnisse in der von derartigen Problemen unbelasteten eigenen Heimat selbst zu wünschen. Wer will sich dann noch wundern, daß die Zumutung einer Übernahme der von der Realität vollkommen überholten migrationspolitischen Vorstellungen des Westens im Osten als ideologische Kolonisation empfunden werden? Hier kennt man die Verschleierungsmechanismen, die über das Migrationsgeschehen gelegt werden, nur allzu gut aus der DDR. Hieraus rührt das Bonmot, wonach es dem Osten keineswegs an Demokratieerfahrung mangelt, aber dem Westen umso mehr an Diktaturerfahrung.
In „Umkämpfte Zone“ zog Geipel ihre eigene, selbst für DDR-Verhältnisse „ungewöhnliche“ Familienbiographie heran und überträgt die „unbewußt transgenerationelle“ Wirkung paradigmatisch auf die gesamte DDR. Beide Großväter waren in der SS, der Vater wochenlang als Geheimagent in der Bundesrepublik im Einsatz. Der ebenfalls ostsozialisierte Publizist Thorsten Hinz schreibt dazu in seiner Rezension in der Jungen Freiheit:
Was beim Leser zurückbleibt, ist Mitgefühl für ihre und ihres Bruders „Kindheit im Terror“, verursacht durch den Vater. „Wir mußten durch die Realität eines enthemmten Mannes, Vater, der verdeckte Krieger. Es war das Stasi-Prinzip jener Jahre.“ Die Verbindung zwischen dem familiär induzierten Kindheitstrauma und dem Unterdrückerstaat erscheint willkürlich, weil Geipel die konkrete Trauma-Ursache auch auf Nachfragen beschweigt. Auf Seite 114 ist nur zu lesen, sie und ihr Bruder seien jahrelang „die Stechpuppen des Vaters, seine Trainingsobjekte“ gewesen. Wenn Metaphern überhaupt einen Sinn haben sollen, ist damit wohl die Geschichte eines sexuellen Mißbrauchs angedeutet. Die Stasi war des Teufels, doch Kindesmißbrauch war weder ihr Prinzip noch ihre Exklusivität. Einerseits verschließt Geipel den Vater-Tochter-Konflikt in der Krypta ihres Herzens; andererseits projiziert sie ihn unbewiesen auf den Staat. Deshalb ist ihr Buch ein Dokument des Ressentiments und nicht der Analyse. Seine Erhebung zum Wunderbuch über den Osten bedeutet einen weiteren Gewaltakt gegen ihn. (aus: Junge Freiheit 26/2019)
Der Auftritt in Erfurt – an dieser Stelle kommt er mir unwillkürlich in den Sinn. Wie erfolgt die Aufnahme von Geipels publizistischem Schaffen im Osten, wie kommen dort ihre schroffen, teils haarsträubenden Thesen an? Ist Geipels Erfolg, ihre Anerkennung hauptsächlich einer sehr wohlwollenden Rezeption im Westen geschuldet? Verstellt sich der Blick einer im Westen angekommenen Publizistin auf die Befindlichkeiten jener, aus denen sie selbst entwachsen ist?
Zuletzt drohte ein dunkler Schatten auf Geipel zu fallen. Aufklärer des DDR-Dopings erhoben Anfang 2023 gegen sie Vorwürfe, wonach sie ihre Sporterfolge „völlig übertrieben und faktisch falsch“ dargestellt habe, ebenso ihre Behauptung, Opfer von Doping gewesen zu sein. Weiterhin wurden Zweifel an ihre Rolle als DDR-Oppositionelle erhoben. Ines Geipel, die Hochstaplerin?
Eine MDR-Dokumentation transportierte die Vorwürfe öffentlichkeitswirksam. Der Politikwissenschaftler Jochen Staadt witterte in der WELT eine Kampagne gegen Geipel im Vorfeld der Verleihung des Erich-Loest-Preises. Daran beteiligt seien neben dem DDR-kritischen Historiker Ilko Sascha Kowalczuk auch alte Stasileute um die Zeitschrift „Rot-Fuchs“.
Geipel wehrte sich juristisch gegen den „Vernichtungsvorstoß“. Jedoch, sie blitzte damit vor Gericht ab, das die Behauptungen als vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sah. Gleichwohl, Meinungen sind noch keine Fakten. Letztlich überstand sie die undurchsichtige Kampagne unbeschadet.
Ines Geipel wurde am 7. Juli 1960, heute vor 65 Jahren, in Dresden geboren. Neben ihrem zahlreichen publizistischen Schaffen machte sie sich neben der Aufarbeitung des Dopings im DDR-Sport auch um die Würdigung in der DDR unterdrückter Literaten verdient. Ihr zuletzt erschienenes Buch „Fabelland – Der Osten, der Westen, der Zorn und das Glück“ ist nominiert für den Deutschen Sachbuchpreis.
Eine Unmenge an Literatur, zumeist Sachbücher, ist in den letzten Jahren auf den Markt geworfen worden, um das Phänomen Russland im Allgemeinen und seinen Präsidenten Putin im Besonderen zu erklären. Das Interesse an diesem Stoff dürfte seit Ausbruch des Ukraine-Krieges deutlich gestiegen sein. Auf dem Gebiet der Romane sind es zumeist osteuropäische Autoren, die hier zur Bekanntheit aufgestiegen sind, so wie der Russe Victor Jerofejew zuletzt mit seiner Putin-Parabel „Der Große Gopnik“. Immerhin, aus Westeuropa hat hier ein Autor Aufsehen erregt: Guiliano da Empoli mit „Der Magier im Kreml“. Für den 1973 geborenen italienisch-schweizer Schriftsteller ist es sein erster Roman, der auch mit dem französischen Literaturpreis Grand Prix du Roman de L’Académie francaise ausgezeichnet wurde.
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Nicht Putin ist die Hauptfigur seiner Geschichte, sondern der fiktive Wadim Baranow, ein Spindoktor, der für den russischen Präsidenten im Hintergrund die Propagandakulisse des Regimes bestückt. Nach dem Ausscheiden aus dem Regierungsdienst erzählt er einem französischen Besucher, mit dem ihm das Interesse für die Bücher des russischen Schriftstellers Samjatin (1884-1937; Verfasser der Dystopie „Wir“) verbindet, die Geschichte seines Lebens, die auch die des jüngeren Russlands ist, wie es nach dem Zerfall der Sowjetunion wurde, was es heute ist.
In Baranow kreuzen sich die Lebenslinien der wichtigsten Männer des modernen Russlands. Da ist der spätere Oligarch Michail Chodorkowski, der ihm seine Partnerin Xenja ausspannt. Sowie ein weiterer Oligarch, der 2013 in seinem englischen Exil unter merkwürdigen Umständen verstorbene – war es Suizid oder doch staatlicher Mord? – Boris Beresowski. Ihn, den Produzenten von Trash-TV, vermittelt er an seine „Entdeckung“ Wladimir Putin, dem früheren KGB-Agenten und damaligen Direktor des Inlandsgeheimdienstes FSB, den er ab 1999 zum Nachfolger des greisen und alkoholkranken Präsidenten Boris Jelzin aufbaut. Eine Entscheidung, die ihm noch teuer zu stehen kommen sollte.
Baranow führt seinen Besucher durch die wichtigsten Stationen seiner Karriere. Die Katastrophe um den Untergang des U-Bootes „Kursk“, den Tschetschenien-Krieg und vor allem die Zähmung der Oligarchen. Er erklärt, wie Putin nach Innen die traditionelle „Vertikale der Macht“ wiederherstellte und aus einem Rachegefühl für die westliche Demütigung Russlands in den chaotischen Jelzin-Jahren an der Wiederherstellung seiner Weltgeltung arbeitete. Die so einsetzende Dynamik der Macht führt nach der Phase des feudalen Chaos nicht nur zur Widerherstellung der Vertikale der Macht, sondern läßt aus Russlands junger Demokratie eine Autokratie werden. Der derart entrückte Putin, das ist für Baranow der neue Zar. Das Russlandbild, das er dabei vermittelt, ist eines, dessen Volk gefangen ist in seiner Vergangenheit und zweifelhaften Mythen von vergangener Größe anhängt, so daß es selbst einem brutalen Verbrecher wie Stalin nicht trotz, sondern wegen der Massaker höchste Sympathien zukommen läßt.
Schonungslos analysiert Baranow das neue zynische Machtspiel gegenüber einem jener russischen Rocker, die als Freischärler im Donbass gegen die Ukraine agieren, und dabei nicht realisieren, daß sie nicht mehr sind als Marionetten an den Fäden ihrer Moskauer Hintermänner:
„Die Anführer der örtlichen Miliz verstehen es nicht, sie setzen sich immer noch naive Ziele wie den Sieg. Aber du bist nicht so dumm, Alexander. Du begreifst, dass der Krieg ein Prozess ist, dessen Ziele weit über den militärischen Erfolg hinaus gehen. Im Gegenteil, unser Erfolg darf nie vollständig, die Eroberung nie endgültig sein. Was soll Russland mit zwei weiteren Regionen anfangen? Wir haben die Krim zurückerobert, weil sie uns gehört, aber hier ist das Ziel ein anderes. Hier ist unser Ziel nicht die Eroberung, sondern das Chaos. Jeder soll sehen, dass die orangene Revolution die Ukraine in die Anarchie gestürzt hat. Wenn man den Fehler begeht, sich in die Hände der Westler zu begeben, dann endet es so: Sie lassen dich bei Schwierigkeiten im Stich und du stehst mutterseelenallein vor einem zerstörten Land.“
Seinen Protagonisten Baranow nennt Da Empoli einen neuen Rasputin, in Anlehnung an jene geheimnisvolle Gestalt, der dem letzten Zaren nahestand und 1916 einem Mordanschlag zum Opfer fiel. Ein Einzelgänger nahe an der Macht, ohne in der Strategie eigene Akzente zu setzen. Er führt aus, was Putin denkt und in seinem Sinne ist. Dabei ist er selbst alles andere als ein Machtmensch. Seine Vorfahren waren Nonkonformisten, die sich der Anpassung unter das jeweilige System verweigerten. Und für Baranow selbst ist seine Tochter das größte Glück. Eine emotionale Nähe zu seinem „Zaren“ vermag nicht aufzukommen. Freunde werden sie nie. Ihre Wege gehen an einem Punkt auseinander, wo man einander überdrüssig wird.
Da Empoli ist ein großartiger Roman gelungen, der Russland und Putin auf eine Weise näherbringt, die nicht in die moralisierenden Klischees des Schwarz-Weiß-Denkens verfällt. Ihm, dem Westler, ist es gelungen, Russlands Entwicklung aus der Perspektive jener zu beschreiben, die sie erleben, oder besser: erleiden mußten. Ein Russland-Versteher im besten Sinne des Wortes. Und bei allem hält er für den Leser noch eine überraschende und düstere Prophezeiung bereit über das wahre Ende der Geschichte, die so vielen im Westen, die von einem Systemwettstreit zwischen dem demokratischen Westen und dem autokratischen Osten ausgehen, gar nicht schmecken dürfte.
Giuliano da Empoli Der Magier im Kreml 265 Seiten, 2024 C.H. Beck 24,70 EUR
Nur vier Jahre nach George Orwells „1984“ erschien 1953 ein Roman, der es gleichfalls zu einer Spitzenstellung im Genre der dystopischen Literatur schaffte. Es war gleich der erste Roman des noch jungen amerikanischen Schriftstellers Ray Bradbury (1920 – 2012), der zum Grundstein seiner literarischen Karriere wurde: „Fahrenheit 451“. Bradbury schuf dieses Werk auf dem Höhepunkt seiner fruchtbarsten Periode von 1946 bis 1955 und wurde damit zum Popularisierer der Science-Fiction.
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Der Titel „Fahrenheit 451“ bezieht sich auf die im angloamerikanischen Maßsystem angegebene Temperatur, bei der Buchpapier zu brennen beginnt (im in Deutschland üblichen SI-System 233 Grad Celsius). Und hierin findet man einen der seltenen Fälle, in denen Buchtitel und -inhalt eine geradezu perfekte Konvergenz erreichen. Bradbury entwirft darin eine Zukunft, in der der Besitz von Büchern unter schwere Strafe gestellt ist. An die Stelle der Literatur ist das Fernsehen getreten. Die Menschen lassen sich von wandgroßen Bildschirmen mit geisttötenden Soap Operas berieseln. Die als „Glück“ empfundene Sedierung und Entmündigung der Gesellschaft ist eine selbstgewählte. Das Verwunderliche ist: Für ihre Durchsetzung ist kein allesumfassender Terrorstaat nötig; Verfassung und Demokratie sind nach wie vor formell in Kraft – allerdings ohne Opposition.
Eine Besonderheit ist die Eliminierung unerwünschter Literatur. Publikationen beschränken sich auf Unverzichtbares, wie Bedienungsanleitungen oder ausgewählte Fachliteratur in Kurzform. Belletristik, philosophische oder politische Literatur, die die ganze Bandbreite menschlichen Denkens abbilden, gelten als gefährlich und werden gezielt vernichtet:
„Wir müssen alle gleich sein. Nicht gleich und frei geboren, wie es in der Verfassung steht, sondern gleich gemacht. Jeder ein Abbild aller anderen; dann sind alle glücklich, denn es gibt keine Berge, vor denen sie sich ducken, an denen sie sich messen müssten. Also! Ein Buch ist eine geladene Waffe im Nachbarhaus. Verbrennen Sie es. Nehmen Sie die Kugel aus der Waffe. Brechen Sie den Verstand des anderen. Wer weiß, wer das Ziel eines belesenen Mannes ist?“
Für die Aufrechterhaltung des allgemeinen Buchverbotes sorgt eine Spezialeinheit, deren Aufgabe ursprünglich eine ganz andere war: die Feuermänner. Zusätzliche Repressionsorgane scheinen zur Absicherung des Systems angesichts des künstlich aufrechterhaltenen, desolaten geistigen Zustands der Massen kaum erforderlich zu sein.
Einst waren die Feuermänner das, was wir heute als Feuerwehrmänner kennen, also Spezialisten zur Verhütung und Bekämpfung von Bränden. Doch in Bradburys dystopischer Zukunft, wo die Häuser durch einen speziellen Überzug feuerfest geworden sind, verkehrt sich ihre Aufgabe in das Gegenteil: sie legen Brände, und zwar an Bücher, vorsorglich egal an welche. Erhalten sie hiervon Kenntnis, rücken sie so wie ihre Kollegen aus der Vorzeit in ihren Einsatzfahrzeugen aus. Doch kommt aus ihren Schläuchen nicht Wasser, sondern Kerosin. Es ist diese leicht brennbare Flüssigkeit, mit der die Bücher in Brand gesetzt werden.
Einer dieser Feuermänner ist Guy Montag. Nach außen gibt er sich angepasst, doch innerlich regen sich erste leichte Zweifel. Heimlich hortet er zuhause aus seinen Einsätzen abgezweigte Bücher. Er will wissen, wie gefährlich sie sind. Der Kontakt zu der jungen Außenseiterin Clarisse, die so anders ist als Montags im System von geförderten Drogen und seichter Dauerberieselung aus dem Fernsehen abgestumpfte Gattin Mildred, verstärkt seine Zweifel und seine Verwirrung, indem sie ihm nur eine scheinbar banale Frage stellt: „Sind Sie glücklich?“
Ein dramatisch verlaufender Einsatz wird zum Kipppunkt. Es ist die Besitzerin der Bücher selbst, die vor Montags Augen inmitten ihrer kerosingetränkten Werke das Feuer selbst entzündet und mit ihnen verbrennt. Auch der väterlich klingende Zuspruch seines Dienstvorgesetzten Beatty kann ihn nicht mehr in der Spur des sozial erwünschten Verhaltens halten. Aus dem Zweifler wird der Rebell.
Montags Bücherversteck fliegt durch die allgegenwärtige Überwachung auf. Doch statt tatenlos ihrer Verbrennung zuzusehen, richtet er den Kerosinbrenner auf Beatty und verbrennt ihn. Montags Flucht mit der Unterstützung des früheren Literaturprofessors Faber wird zum Höhepunkt der live übertragenen Abendunterhaltung im Fernsehen, die als eine Art Fuchsjagd inszeniert wird. Doch seine Flucht glückt. In der Wildnis außerhalb der Stadt trifft er ausgerechnet auf eine Gruppe Waldgänger, denen eines gemeinsam ist: Mittels einer speziellen Memoriertechnik bewahren sie in ihren Köpfen den Inhalt jeweils eines Buches wortwörtlich auf und bewahren sie so vor dem Vergessen.
Bradburys „Fahrenheit 451“ wird allgemein als Parabel auf die Zeit des McCarthyismus interpretiert, als der amerikanische Senator Joseph McCarthy (1908 – 1957) zum Wortführer einer Bewegung wurde, die vermeintliche Kommunisten und kommunistische Verschwörer im Staatsapparat zu enttarnen suchte. Im aufkommenden Kalten Krieg mit der Sowjetunion entstand in den USA ein Klima politischer Paranoia mit Denunziation und Spitzelwesen, in welchem die Tribunale des „Komitees für unamerikanische Umtriebe“ zu Hexenjagden gerieten, in denen zahlreiche Existenzen vernichtet wurden. Das Fernsehen, das damals in seiner Verbreitung seinen ersten Siegeszug durchlief, beförderte McCarthys Machenschaften in so gut wie jeden amerikanischen Haushalt. Auch kam es zu Aussonderungen und Verbrennungen unliebsamer Literatur.
Doch es wäre ein Fehler, „Fahrenheit 451“ eine ausschließliche Zeitgebundenheit zuzusprechen. Bücherverbrennungen gab und gibt es zu allen Zeiten. In Bradburys Meisterwerk finden sich zahlreiche Stellen, die bei gewissen Vorkommnissen unserer Zeit ein geradezu visionäres Vorbild darstellen. Da ist die Kritik an der die Sinne betäubenden Massenkultur und der Formierung einer kollektive Zwänge ausübenden Massengesellschaft, die weder dem kritischen Individuum noch dem eigenständigen Geist einen Platz einräumen will. Bücherverbrennungen sind heutzutage zwar nur Ausnahmeerscheinungen, doch werden immer mehr Bücher Restriktionen unterworfen oder aus politischen Gründen vom Mainstream ferngehalten.
Selbst Klassiker erhalten Triggerwarnungen, Neuerscheinungen werden vorab von „Sensitivity Readern“ im Auftrag von Verlagen darauf geprüft, ob sie anstößige und verletzende Inhalte enthalten. Die Autorenfreiheit und die Freiheit des Lesers bleiben auf der Strecke. Autoren, die gegen den Zeitgeist verstoßen, werden gar aus ihrem Verlag geworfen, so wie es Thilo Sarrazin und Monika Maron erging. Die Verlage selbst unterwerfen sich den Vorgaben der political correctness, so daß kritische und herausfordernde Literatur kaum in gedruckter Form zum Leser findet. Es entsteht ein Verhinderungskartell vom Feuilleton der Mainstreampresse über den ÖRR bis zu den Verlagen, Buchhändlern und Buchhandelsketten.
Einer der bisherigen Tiefpunkte war 2017 die nachträgliche Aussonderung von Rolf Peter Sieferles „Finis Germania“ sowohl aus der Liste der „Sachbücher des Monats“ wie auch aus der Spiegel-Bestsellerliste. Daß diese konzertierte Aktion des sogenannten Kulturbetriebs zum Rohrkrepierer wurde, beruhigt keineswegs.
Und nur auf den ersten Blick verwunderlich war eine Meldung aus 2022, wonach die Universität Northampton ausgerechnet George Orwells „1984“ mit einem Warnhinweis versah. Vordergründig erfolgte diese Warnung aufgrund der die Studenten als „beleidigend und verstörend“ empfundenen Inhalte, doch kann man darin durchaus auch jenen von Bradbury beschriebenen Vorgang wiederfinden:
„Die Farbigen mögen Der kleine schwarze Sambo nicht. Verbrennen wir es. Die Weißen haben bei Onkel Toms Hütte kein gutes Gefühl. Verbrennen wir es. Jemand hat ein Buch über Tabak und Lungenkrebs geschrieben? Die Zigarettenindustrie wehklagt? Weg damit. Gleichmut, Montag. Frieden, Montag.“
Wenn uns Ray Bradburys „Fahrenheit 451“ eines lehrt, dann das: Literatur, das Buch an sich, ist stets eine bedrohte Art. Für seine Gefährdung braucht es keinen totalitären Machtstaat. Es reicht dazu eine gleichgültige Masse, die die verfügte Entmündigung durch die den Zeitgeist bestimmenden Kräfte, glücklich hinnimmt, wobei jene vorschreiben, was man zu lesen hat.
Ray Bradbury Fahrenheit 451 272 Seiten, 2020 Diogenes 25,- Euro
„George Orr stand mit aschfahlem Gesicht schwankend im flackernden Neonlicht des U-Bahnwagens, der durch die Finsternis des Zweistromlandes raste, hielt sich, eingekeilt zwischen tausend anderen Menschen, am schaukelnden Stahlgriff eines Gurtes fest. Er spürte das Gewicht, das auf allem lastete, das ihn fortwährend niederdrückte. Ich lebe in einem Albtraum, dachte er, aus dem ich von Zeit zu Zeit schlafend erwache.“ (Ursula K. Le Guin, „Die Geißel des Himmels“)
In ihrer Frühphase war die Science-Fiction eine reine Männerdomäne. Erst ab den 1960er Jahren trat der Wandel ein, für den vor allem US-amerikanische Autorinnen stehen wie Kate Wilhelm und C.J. Cherryh, aber vor allem Ursula K. Le Guin (1929 – 2018). Letztere verfasste nicht nur den aus mehreren Teilen bestehenden, populären Fantasy-Epos vom „Erdsee“, sondern auch eine Reihe hochpolitischer Scifi-Romane wie „Die linke Hand der Dunkelheit“ oder „Planet der Habenichtse“. Aus der Frühphase ihres Schaffens stammt der Roman „Die Geißel des Himmels“ (1971), der im Dezember 2024 in einer überarbeiteten Neuübersetzung seine deutsche Wiederveröffentlichung erfuhr.
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George Orr wird von schlechten Träumen geplagt. Denn er ist fest davon überzeugt, daß sie die Realität verändern. So verschwindet eine nervtötende Tante rückwirkend einfach so aus dem Familienleben, als ob sie nie existiert hätte, einfach weil Orr sich diese Vorstellung nachts erträumt hatte. Ihm ist es gar nicht recht, die Realität auf diese Weise ohne jede Kontrolle aus seinem Unterbewußtsein zu verändern und so versucht er auf medikamentösem Weg, seine Träume zu unterdrücken. Doch die illegale Beschaffung der Medikamente fliegt auf und die Behörden weisen ihn zur therapeutischen Behandlung dem Psychiater William Haber zu. Der findet schnell heraus, daß hinter Orrs realitätsverändernden Träumen mehr als nur Einbildung steht. Doch anstatt seinem Patienten Hilfe zukommen zu lassen, findet er Gefallen an der Idee, diese Gabe der traumwandelnden Schöpfung unter Kontrolle zu bekommen und sie für eigene Zwecke zu mißbrauchen. Doch was anfangs aus guter Absicht geschah, entwickelt sich zu einem Desaster. Der Wunsch, der Not durch die Überbevölkerung ein Ende zu setzen, läßt Milliarden Menschen einfach so verschwinden. Und aus dem Wunsch, Frieden unter den Nationen der Erde herzustellen, entsteht eine außerirdische Invasion, die die kriegerischen Rivalitäten erst zugunsten einer neuen Geschlossenheit beenden läßt. Der Weg, paradiesische Zustände zu erträumen, öffnet stets das Tor zu einer neuen Hölle. Doch Haber läßt es an Einsicht missen, daß er mit einer Kraft hantiert, die das Gute will und dabei doch das Böse schafft. Stattdessen will er sich Orrs Kräfte aneignen und als gottgleicher Weltenschöpfer selbst zur Tat schreiten.
L. Guin läßt in ihren zwei Protagonisten zwei Prinzipien – Gleichgewicht in Harmonie und schöpferische Zerstörung – gegeneinander antreten. Da ist der zurückhaltende Charakter George Orr, der sich vor seiner geheimnisvollen Gabe fürchtet, nicht nur ihrer Folgen wegen und sie am liebsten loswerden will. Ihm tritt der Wissenschaftler William Haber entgegen, L. Guins Dr. Faustus, unabhängig und ungebunden, der sich außerhalb des Ganzen sieht und dem nun ein Mittel in die Hände gelangt, mit dem er über die wissenschaftliche Beschreibung der Welt hinaus diese zu ihrem vermeintlich Besten sogar radikal verändern kann, ohne dabei die Beschränktheit seines eigenen Horizonts im Blick zu haben und dabei den eigenen Verstand verlieren wird:
„Wenn sich nichts mehr verändert, dann haben wir es mit dem Endergebnis der Entropie zu tun, dem Wärmetod des Universums. Je mehr Dinge sich bewegen, interagieren, aufeinanderprallen, sich verändern, desto weniger Gleichgewicht gibt es – und desto mehr Leben. Ich bin für das Leben, George. (…) Wir stehen kurz davor, zum Wohle der Menschheit eine ganz neue Kraft zu entdecken und zu beherrschen, ein vollkommen neues Feld der anti-entropischen Energie, der Lebenskraft, des Willens zu handeln, etwas zu tun, etwas zu verändern.“
Ihm hält Orr entgegen:
„Wir stehen in der Welt, nicht im Widerspruch zu ihr. Wir können nicht versuchen, außerhalb der Dinge zu stehen, sie auf diese Weise beeinflussen. Das geht einfach nicht, es läuft dem Leben zuwider. Es gibt einen Weg, aber man muss ihm folgen. Die Welt ist, wie sie ist, ganz gleich, wie sie unserer Meinung nach sein sollte. Sie stehen in ihr. Sie müssen sich auf sie einlassen.“
In Orrs Positionierung wird bereits ein wesentlicher Zug in Ursula K. Le Guins Schaffen deutlich, ihre Nähe zum Taoismus, jener uralten chinesischen Philosophie, die auf Harmonie und Gleichgewicht setzt. In dieser Vorstellung gibt es keine objektive Welt, sondern nur eine von der eigenen Subjektivität eingefärbte Illusion: Die Welt ist nur ein großer Traum.
Ursula K. Le Guin Die Geißel des Himmels 240 Seite, 2024 Carcosa Verlag 22,- Euro