Die perverse Macht der Presse

„Stellen Sie sich vor, Sie schlagen die Morgenzeitung auf und Ihr Leben wäre die Schlagzeile der Titelseite. Und was da steht, ist exakt. Aber es ist nicht die Wahrheit.“ (deutscher Original-Trailer „Die Sensationsreporterin“)

YT-Trailer „Die Sensationsreporterin“ (1981)

Hollywood-Titan Paul Newman war Hauptdarsteller in einer ganzen Reihe an Filmen, die zu Klassikern wurden. Sei es „Die Katze auf dem heißen Blechdach“ (1958), „Der Unbeugsame“ (1967) oder „Die Farbe des Geldes“ (1986). Doch aus Anlaß seines 100. Geburtstages – Newman wurde heute vor 100 Jahren am 26. Januar 1925 in Shaker Heights, Ohio geboren – soll einer seiner unbekannteren Filme vorgestellt werden, der dennoch eine bis heute anhaltende beklemmende Aktualität über die Macht der Presse zur sozialen Existenzvernichtung entfaltet. Die Rede ist von dem Film-Drama „Die Sensationsreporterin“ von 1981.

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Newman spielt darin Mike Gallagher, einen Spirituosen-Großhändler in Miami/Florida. Gallagher führt einen einwandfreien Lebenswandel und gerät dennoch in das Visier von Staatsanwalt Ellliot Rosen (Bob Balaban). Seit dem spurlosen Verschwinden des Gewerkschaftsfunktionärs Joey Diaz steht der eifernde Staatsanwalt unter Druck, in der Sache voranzukommen. Gallagher soll für ihn dazu Mittel zum Zweck werden. Denn der ist der Spross einer Mafia-Familie, von deren Aktivitäten sich der gesetzestreue Gallagher fernhält. Gallagher soll entweder als Täter überführt oder derart unter Druck gesetzt werden, daß er die entscheidenden Hinweise zu dessen Ergreifung liefert.

Rosen verfällt dazu auf einen Trick. Scheinbar unbeabsichtigt läßt er bei einem Bürotermin die Reporterin Megan Carter – dargestellt von der Oscar-Preisträgerin Sally Field („Norma Rae – Eine Frau steht ihren Mann“) – Einblick in die Akte Gallaghers nehmen. Und so nehmen die Dinge ihren Lauf.

Carters Zeitung berichtet, daß gegen Gallagher in der Sache Diaz ermittelt werde. Die Quelle bleibt dabei schwammig. Die Journalisten sind sich unsicher, doch ihr Justiziar beschwichtigt und führt vor, warum man nicht nach einer Leiche im Keller graben muß, um jemanden in Verruf zu bringen:

„Wenn Zeitungen immer nur die Wahrheit drucken würden, dann wären Anwälte vollkommen überflüssig. Wir dürfen über Mr. Gallagher behaupten, was wir wollen, und er ist machtlos, uns Schaden zuzufügen.“

Gallaghers Ruf gerät unmittelbar unter die Räder. Die Gewerkschaft beginnt sein Geschäft zu bestreiken. Verzweifelt versucht Gallagher gegenüber Carter seine Lauterkeit zu beweisen. Seine Situation ist geradezu kafkaesk, denn Carters Zeitung weigert sich weder die Quelle zu benennen, noch bestätigen die Behörden, überhaupt zu ermitteln. Doch es soll noch schlimmer kommen.

Teresa Perrone (Melinda Dillon), eine offenkundig psychisch schwer belastete Freundin Gallaghers, der er helfend zu Seite steht, vertraut sich Carter an. Denn sie kann für Gallagher zum Zeitpunkt von Diaz‘ Verschwinden das entscheidende Alibi liefern. Doch dazu müßte sie ein persönliches Geheimnis preisgeben, dessen Offenlegung ihr gefährlich würde. Carter nimmt darauf jedoch keine Rücksicht, ohne die Folgen zu bedenken. Verhaltene Skrupel wischt ihr Vorgesetzter beiseite und versteckt sich hinter der apodiktischen Floskel: „Das Volk hat ein Anrecht das Alibi zu erfahren“. Mit dem absehbaren Suizid von Perrone erreicht das Drama seinen vorläufigen Höhepunkt.

Gallagher fädelt nun eine geschickte Intrige ein, mit der er zwei Ziele verfolgt: Die Reinwaschung seines Namens und Rache an den Verantwortlichen für Perrones Suizid.

Regisseur Sidyney Pollack (1934 – 2008) war Hollywoods Spezialist für die Umsetzung gesellschafts- und sozialkritischer Themen in gutes Kino. Zu seinen bekanntesten Werken gehören „Nur Pferden gibt man den Gnadenschuß“ und „Die drei Tages des Condor“. „Die Sensationsreporterin“ ist eine weitere kreative Perle, in Pollacks wie Newmans Lebenswerk, die fast in Vergessenheit geraten ist. Ein Film aus einer Zeit, in der Hollywoods Studios sich noch nicht dem Franchise-Wahn von Marvel und Star-Wars unterworfen haben. Es war aber auch eine Zeit, in der die Studios ein Publikum vorfanden, das echtes Kino noch belohnte.

In dem typischen, unangebrachten Selbstlob seiner Zunft lobte vor nicht allzu langer Zeit der Chefredakteur einer Lokalzeitung „die akribische Recherche und die Wahrheitsliebe“ seiner Journalisten. Wie so oft ist die Realität weitaus komplexer als es dieses vollkommen überhöhte Selbstbild nahelegt, eher grau statt schwarz-weiß.

1981, als „Die Sensationsreporterin“ auf die Leinwand kam, dachte man wahrscheinlich nicht im Traum daran, daß der Journalismus einmal einen Claas Relotius hervorbringen würde. Zwar kam 1983 der Skandal um die „Hitler-Tagesbücher“ im STERN auf, doch war dieses Ereignis noch kein Beleg für einen systemischen Ausfall wie es Relotius für den SPIEGEL darstellte. Ebenso wenig war absehbar, daß die als journalistischer Verein getarnte, regierungsnahe Aktivistengruppe Correctiv mit ihren Märchenerzählungen über ein angeblich rechtsextremes „Vertreibungstreffen“ in Potsdam fast ein ganzes Land in Aufruhr bringen könnte. Doch die Fähigkeit und der unbedingte Wille zur Existenzvernichtung, zum instrumentellen Mißbrauch von Fakten, so daß die Wahrheit dahinter nicht mehr erkennbar wird – der war bereits damals angelegt.

Die Sensationsreporterin (1981)
1 Stunde und 56 Minuten
DVD, BluRay und Streaming
Mit Paul Newman, Sally Field