Ein neuer Adam

Der Vormarsch der Ökologiebewegung und ihres politischen Arms, den Grünen, hat auch auf dem Feld der Ernährung zu einem Kulturkrieg geführt. Deutlich wurde es zuletzt mit der Anordnung aus dem von dem Grünen Cem Özdemir geführten Bundesministeriums für Ernährung, bei offiziellen Empfängen nur noch vegetarische Gerichte aus ökologischem Anbau zu servieren. WELT ONLINE titelte: „Der Kampf um den Speiseplan wird wie ein Religionskrieg geführt“. Der Veggieday, also der eine Tag in der Woche, an dem in Kantinen nur fleischlose Ernährung angeboten werden soll, ist aus Gründen des Natur- und Tierschutzes das angestrebte Ziel und wie bei solchen Bewegungen üblich, wird es dabei kaum bleiben.

Der Kampf um die Ernährung ist so alt wie die Ökologiebewegung selbst, die – angelegt in der Gegenkultur der 1960er Jahre – ihren Aufschwung in den 1970er Jahren nahm. Entscheidende Pushs erhielt sie unter anderem durch die von dem Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ (1972) des Club of Rome befeuerte Zukunftsangst vor dem ökologischen Kollaps. Ihre politische Formierung als die Partei „Die Grünen“ Ende der 1970er war eine schon zwingende Folge, ebenso wie ihr Marsch in die Parlamente und Institutionen.

Umso erstaunlicher ist es, daß sich bereits in der Anfangszeit dieser Bewegung kritische Stimmen gegen sie erhoben. Eine von ihnen war die des amerikanischen Schriftstellers D. Keith Mano (1942 – 2016), der die ökologische Bewegung 1973 in seiner dystopischen Satire „Die Brücke“ aufs Korn nahm. 1980 erschien sie in der bekannten Science-Fiction-Taschenbuchreihe des Heyne Verlags. Buch wie Autor sind heute leider in Vergessenheit geraten. Doch der Furor, den die Grünen in der Regierungsverantwortung der gegenwärtigen Ampelregierung entfachen, wo sie einen bislang nicht für möglich gehaltenen Schaden anrichten, verhilft Manos 50 Jahre alte Geschichte zu einem vollkommen neuen Reiz.

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Bereits die ersten zwei Sätze des Klappentextes stimmen in ihrer drastischen Deutlichkeit den Leser ein: „Man schreibt das Jahr 2035. Nach vierzig Jahren der Diktatur der Grünen ist die Menschheit am Ende.“ Die Grüne Ökologische Bewegung hat nach einem Krieg mit der alten Ordnung vollständig gesiegt. Die einstige Zivilisation und ihre Industriegesellschaft existieren nicht mehr. Die Bevölkerung ist drastisch reduziert. Die Natur wuchert über Ruinenstädte. Statt Kleidung tragen die Menschen enganliegende, schwarze Plastikanzüge. Die Verständigung erfolgt über Fingersprache. An die Stelle gewöhnlicher Nahrung tritt die Öko-Diät, ein nicht definiertes Gebräu, das seinen Nutzer zu einem langsamen, scheußlichen Sterben verurteilt:

Krebs war neben den üblichen Infektionen die zweithäufigste Todesursache. Öko-Diät zerstörte und veränderte die Zellwandstruktur von Magen und Darm. Geschwülste wurden zu selbstständigen Lebensformen erklärt, deren Existenzrecht ebenso hoch eingeschätzt wurde, wie das ihrer Wirte. Hinzu kam, daß die Ärzte nur wenig dagegen ausrichten konnten: Medikamente, Röntgenaufnahmen und chirurgische Eingriffe waren verboten, da all diese Maßnahmen die Vernichtung einer großen Anzahl von Bakterien bedeutet hätte.

Es ist nicht weiter verwunderlich, daß in diesem System selbst die Tötung von Insekten einem Kapitalverbrechen gleichkommt.

Das verfallene New Yorker Yankee Stadion wurde umfunktioniert zu einem Gefängnis. Hier sitzt Dominick Priest ein. Sein Vergehen: Er hat „im Zorn gesprochen“.

Doch von einem Tag auf den anderen werden alle Insassen freigelassen. Nicht wegen einer Amnestie, sondern um sich auf das ultimative Ende der Menschheit vorzubereiten:

EINSTIMMIGER BESCHLUSS DES OBERSTEN RATES
Von 7. Juli 2035

Da vom Fachausschuß für Fragen der menschlichen Atmung unwiderlegbar festgestellt wurde, daß der Atmungsprozeß von jeher und auch in Zukunft unzählige Formen mikrobiologischen Lebens in ihrer Funktion lähmt und zerstört, haben wir, vom Obersten Rat, vollzählig und einstimmig beschlossen, daß der Mensch als vernunftbegabtes Wesen diese mutwillige Vernichtung anderer Lebewesen, die dasselbe Existenzrecht wie er besitzen, nicht länger hinnehmen kann. Es wird somit angeordnet, daß jedermann aus freien Stücken und innerer Zerknirschung das Aussterben seiner Art herbeiführt.

Diese Verordnung tritt für alle Zivilpersonen und Bürger am 20. Juli 2035, für alle Offiziere und Beamte des Rates am 1. August 2035 in Kraft.

Damit ist zugleich die Hoffnung verbunden, liebe Mitbürger, daß jeder seinen vergänglichen Leib der Erde in einer Haltung wiederschenkt, durch welche die abscheulichen Verbrechen und Schandtaten, die unsere Art im Laufe der Geschichte an der Natur begangen hat, wenigstens zu einem kleinen Teil wiedergutgemacht werden.

Gehet hin in Frieden und Liebe!

Nach Aushändigung der Todespille wird Priest noch einmal die Gelegenheit eingeräumt, ein letztes Mal Frau und Kind wiederzusehen. Sein weiter Weg nach Norden, nach New Loch, seinem Geburtsort, führt ihn durch albtraumhafte, von Moskitos beherrschte Landschaften. Zwei Ereignisse auf seinem Weg werden zu entscheidenden Initialzündungen für eine außergewöhnliche Transformation Priests. Zum einen die Tötung zweier Grüner Gardisten in Notwehr. Zum anderen die Begegnung mit dem uralten Xavier Paul, dem letzten christlichen Priester, dem Vertreter einer Religion, die für das Prinzip des Lebens steht:

„Jesus Christus gab sein Fleisch und sein Blut für uns. (…) Deshalb haben sie auch unsere Kirchen geschlossen. Sie meinten, das Ganze sei Kannibalismus. Außerdem konnten wir sowieso keine Messen halten… Es gab weder Brot, noch Wein. Öko-Diät hat nichts mit Christi Blut zu tun. Es steckt kein Leben drin. Das ist tote Materie.“

In Priest erwachen uralte, zutiefst menschliche Instinkte. Die groteske Inszenierung seiner Taufe transformiert Priest in einen neuen Adam, aus dem die Menschheit von neuem entsteht.

Der aus einer christlichen Perspektive schreibende Konservative Mano erkannte in der Ökologiebewegung einen antihumanistischen Kern, dem er in „Die Brücke“ eine drastisch übersteigerte Form gab und aufzeigte, wohin er in allerletzter Konsequenz führt. Schon zu Lebzeiten durfte er sich mit dem Blick allein auf den Forderungskatalog der Tierrechtsorganisation PETA ebenso bestätigt fühlen, wie bei den Vorstellungen von Philosophen wie Peter Singer, der bei Tier und Mensch keinen Unterschied sieht. Daß sich das Umfeld der Tierrechtler eine zweifelhafte Moral zu eigen macht, die andere Menschen als Bedrohung empfinden, daraus machen viele von ihnen selbst keinen Hehl.

Zwischen Manos Buch und heute liegen genau 50 Jahre. Es wundert nicht, daß an ihrem Anfang seine Warnungen vor der grünen Utopie angesichts der Wirkmächtigkeit des Zeitgeistes kein Gehör finden konnten, zumal in dieser Form einer derart radikalen Satire, die auf viele Rezensenten und Leser zu abstoßen wirkte, um verstanden zu werden. Die Hoffnung bleibt, daß an ihrem Ende die Umsetzung dieser Utopie und praktische Regierungspolitik bei den Wählern einen späten, aber heilsamen Schock auslöst, der in der Fortführung ihrer Umsetzung einen baldigen und endgültigen Abbruch erteilt.

D. Keith Mano
Die Brücke

Heyne
192 Seiten, 1980
Nur noch antiquarisch erhältlich

Sie konnte mehr als „Sissi“

„Nach diesem Job der nächste. Und dann ein weiterer. Und alle voller Augenblicke, auf die andere Reporter ein ganzes Leben warteten. Was hatte ich doch für ein Glück! Schließlich war ich ja, was ich sein wollte: ein Reporter. Der Reporter. Ich trat wütend und überflüssigerweise aufs Gaspedal, und das Tempo stieg. Ich war kein Reporter, sondern eine Übertragungsmaschine. Ich war die fleischgewordene, morbide Neugier der Welt.“ (D.G. Compton, „Tod Live“)

Die Rolle der österreichischen Kaiserin Elisabeth von Österreich, kurz „Sissi“, machte sie in dem gleichnamigen Kino-Dreiteiler (1955-57) zur Ikone des deutschen Kinos. Um das damit verbundene Image abzustreifen, wandte sich die deutsche Schauspielerin Romy Schneider danach künstlerisch anspruchsvolleren Filmproduktionen zu. „Death Watch – Der gekaufte Tod“ (1979) war einer ihrer letzten Filme kurz vor ihrem viel zu frühen Tod 1982 im Alter von nur 43 Jahren.

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Ende der 1970er Jahre war noch nicht absehbar, welche Entwicklung das Fernsehen in seiner Gier nach Einschaltquoten noch nehmen würde. Versuche einer Medienkritik gab es dennoch durchaus, so „Das Millionenspiel“ (1970) und „Network“ (1976), die „die neuzeitliche Form des römischen Zirkusses“ (Marvin Harris) einer scharfen Abrechnung unterzogen. Ihnen schloß sich „Death Watch“ an.

Basierend auf den 1975 erschienenen Science-Fiction-Roman „Schlaflose Augen“ (späterer Titel „Tod Live“) von David G. Compton führt der französische Regisseur Bertrand Tavernier (1941 – 2021) den Zuschauer in eine keineswegs so ferne Zukunft, die aus heutiger Perspektive schon überholt erscheint. Romy Schneider nimmt darin die Rolle der Bestsellerautorin Katherine Mortenhoe ein, die von ihrem Arzt über eine tödliche Diagnose informiert wird. Sie habe nur noch wenige Wochen zu leben. Was sie nicht weiß: Im Hintergrund zieht der Fernsehsender NTV die Fäden, der sich für sein Format „Death Watch“ die Filmrechte über ihr Sterben sichern will. Ohne daß sie es ahnt, setzt Senderchef Vincent Ferriman (Harry Dean Stanton; „Alien“, „Paris, Texas“) Roddy Farrow (Harvey Keitel; „Bad Lieutenant“, „Pulp Fiction“) auf sie an, dem erst kurz zuvor eine Mikrokamera hinter die Netzhaut implantiert wurde. Während sich Katherine in der ihr vermeintlich noch verbleibenden Zeit auf die Spurensuche nach ihrem bisherigen Leben begibt, ist das Fernsehen immer live dabei.

Schneider bot ihr ganzes Schauspieler-Repertoire für diese Rolle auf. Und etwas von der sensiblen und zerbrechlichen Katherine Mortenhoe spiegelt sich auch in ihrer eigenen Biographie wieder, was sie zur Idealbesetzung des Films machte. Tavernier schwärmte von seiner Hauptdarstellerin in den höchsten Tönen: „Sie hatte diese Kraft, diese Lebendigkeit an sich, die dazu führte, daß sie über der Realität stand.“

Screenshot „Death Watch“; Romy Schneider

Eine scheinbar unbedeutende Nebenszene verdient besondere Aufmerksamkeit: In einem Park geht sie freundlich lachend auf einen mit einem Fußball spielenden Jungen zu. Der Junge ist Romy Schneiders Sohn David Christopher Haubenstock, der 1981 als 14jähriger bei einem tragischen Unfall ums Leben kam:

Eine Überraschung ist Keitel als Roddy. Hauptsächlich durch seine Filme mit Quentin Tarantino bekannt, wird vergessen, daß er bereits in den 1970er Jahren sowohl in den USA wie in Europa ein gefragter Charakterdarsteller war. Jedoch, zu der Zeit von „Death Watch“ hatte Keitel bei den Studiobossen einen schlechten Ruf. Daß jedenfalls ein Beau wie Richard Gere als die bevorzugte Wahl der Produzenten Keitel nicht annähernd hätte ersetzen können, versteht sich von selbst. In weiteren Nebenrollen sind Max von Sydow und Bernhard Wicki zu sehen.

Screenshot „Death Watch“; li. Harvey Keitel, re. Harry Dean Stanton

„Death Watch“ steht für den Voyeurismus und die Ausbeutung der Emotionen im Fernsehgeschäft – „eine neue Pornographie“. Fernsehsender und Publikum gehen dabei eine Symbiose ein, die sich in einer bösartigen Dynamik gegenseitig befeuern. Alles was zählt ist die Quote. Was heute gesendet wird, ist morgen schon vergessen. Die Drehkulissen im vom Verfall und Schäbigkeit gezeichneten Glasgow verstärken noch die düstere Atmosphäre des Films.

Auf das Feuilleton der damaligen Zeit wirkte das Melodram zu sperrig. Leider war man zu weit entfernt von jeder Ahnung, was noch alles an abseitigen Formaten über den Fernsehschirm flimmern würde. Comptons Vision des „Reality TV“ schien selbst für Regisseur Tavernier unmöglich, machbar allenfalls in den USA mit seinem Privatfernsehen. Jeder, der ernsthaft entsprechende Prophezeiungen getätigt hätte, wäre in der Klapsmühle gelandet, der Endstation so manchen Visionärs.

Trailer „Death Watch – Der gekaufte Tod“
Death Watch – Der gekaufte Tod
Mit Romy Schneider, Harvey Keitel u.a.
2:04 Stunden; 1980
David G. Compton
Tod Live
Heyne Verlag
301 Seiten; Ausgabe 1997